Der Traum des Schattens
schon an der Tür.
Ferenc polterte herein. Sein gerötetes Gesicht stand in auffälligem Kontrast zu Mónikas Blässe. » Wusste ich’s doch! Hier hast du dich also verkrochen.« Verächtlich ließ er den Blick durch die kleine Wohnung schweifen. » Pack deine Sachen ein, Attila, du kommst jetzt mit mir nach Hause.«
» Er geht nirgendwohin!«
Ferenc hatte Attila am Handgelenk gepackt und zerrte ihn durch den Raum. Neben dem Tisch entdeckte er die Schultasche, ergriff sie und war schon wieder auf dem Weg zum Ausgang.
Mónika hängte sich an seinen Arm. » Du kannst ihn nicht einfach abholen!«
Er schleuderte sie zur Seite. » Kann ich schon. Niemand nimmt mir meinen Sohn weg. Komm, Attila, gehen wir.«
Mattim war aufgestanden. Ferenc schien ihn nicht einmal zu bemerken, doch das war ein Fehler. Mattim sprang auf ihn zu, gerade als Mónika rückwärts gegen einen Stuhl krachte. Er drehte dem um einiges schwereren Mann den Arm auf den Rücken, sodass Ferenc aufstöhnte und Attila loslassen musste. Auch wenn er kein Schatten mehr war, immerhin war Mattim von Kindheit an als Flusshüter aufgewachsen. Er war quasi mit dem Schwert in der Hand geboren, er hatte eher reiten können als laufen, und auch unbewaffnet war er nicht zu unterschätzen. Trotz seiner Wut versuchte er, Ferenc nicht allzu sehr wehzutun.
» Lassen Sie den Jungen zufrieden.«
» Misch dich nicht ein!«, keuchte Ferenc. » Du machst einen schweren Fehler.«
» Das ist mir egal. Sie können mir nicht drohen. Sie fassen diese Frau nie wieder an, verstanden?«
Er drückte etwas fester zu– wenn Ferenc sich jetzt bewegte, würde er sich den Arm auskugeln. Zum Glück war er klug genug, das Schicksal nicht herauszufordern.
» So«, sagte Mattim. » Jetzt beruhigen wir uns alle wieder, ja?« Er merkte, wie Attila ihn mit großen Augen anstarrte– bewundernd oder entsetzt? » Ich werde Sie nun loslassen. Sobald Sie frei sind, erwarte ich, dass Sie Mónika freundlich begrüßen. Sie werden sich höflich verhalten, wie ein Gast, ist das klar?«
Ferenc brauchte recht lange, bis er ein verbissenes » Ja« herausquetschte.
» Na gut.« Der Prinz gab ihn frei.
Schnaufend stand Herr Szigethy da und rieb sich den Arm. Sein Gesicht war rot angelaufen, als wollte er gleich platzen. Wie ein gereizter Stier starrte er den jungen Mann an, doch anscheinend legte er keinen Wert darauf, ein zweites Mal gedemütigt zu werden. Er rührte sich nicht von der Stelle. » Das wird ein Nachspiel haben«, knurrte er.
» Die höfliche Begrüßung«, erinnerte Mattim ihn.
Ferenc sah Mónika nicht einmal an. » Guten Tag«, stieß er höhnisch hervor. » Schöne Wohnung.«
Das musste reichen. Mattim hatte nicht vor, den Mann vor den Augen seines Sohnes zu verprügeln.
Er warf einen Blick zu Mónika hinüber, die stumm auf einem Sessel Platz genommen hatte. Was wünschte sie sich von ihm? Er hoffte, dass es das Richtige war, als er sich an den Jungen wandte. » Attila«, sagte er, » dein Papa wollte dich besuchen, glaube ich. Hast du Lust, dich ein bisschen mit ihm zu unterhalten? Ihr könnt euch aufs Sofa setzen, und du zeigst ihm deine Comics.– Keine Sorge«, fügte er an Mónika gewandt hinzu, » ich passe auf.«
Ferenc stieß ein verächtliches Lachen aus. » Ich soll mich also unter Aufsicht mit meinem eigenen Sohn beschäftigen? Nein, danke.« Er marschierte auf die Tür zu. » Du hörst von mir, Mónika. Das lasse ich mir nicht bieten. Das hier wird ein Nachspiel haben!«
Seine polternden Schritte hallten durchs Treppenhaus, als Mattim sanft die Tür schloss.
» Oh Gott«, sagte Mónika. Sie saß immer noch ganz still da, aber die Tränen liefen ihr die Wange hinunter.
Attila starrte Mattim staunend an. » Du kannst Kung Fu, das ist ja klasse!«
» Kung Fu?« Mattim schüttelte bedauernd den Kopf. » Das kenne ich nicht. Ich kann Königlicher Wächter, ich kann Niemand kommt an den Fluss und Keinen Schritt auf die Brücke .«
» Wahnsinn. Zeigst du mir ein paar Tricks?«
» Es tut mir leid«, sagte er zu Mónika. Jetzt würde sie ihn sicher hinauswerfen, aber es spielte eigentlich keine Rolle. Morgen war das Fest in Akink, vielleicht würde er sowieso nicht von dort zurückkommen.
Sie wischte sich über die Augen. » Ist schon gut«, murmelte sie nur.
» Jetzt wird es noch schlimmer, oder?« Gewalt hatte diese Wirkung. Es wurde alles schlimmer und schlimmer, und jemand wie Ferenc ließ sich nicht so schnell einschüchtern. Auf irgendeine Art und Weise
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