Der Traum des Teufels
des Augenhintergrundes verschwamm, traf den tobenden Vampirfürsten, der in seinem einsamen Rufen innegehalten und sich lieber der Zerstörung gewidmet hatte. Damit hielt er jetzt inne und starrte Chyriel angstvoll an. Dieser trug die Haare jetzt wesentlich länger als zu der Zeit seines ersten Besuches. Es floss wie ein dunkler Strom über seine Schultern. Wie ein düsterer Rahmen um ein totenbleiches Gesicht. Er wirkte starr wie eine Wachsfigur, mit einer Brust, die kein Atem hob und senkte. Ohne ein einziges Wort zu sagen, hüllte der Priestervampir den einen Kopf kleineren Vampir in seine Nebelwand ein. Der Vampirfürst spürte, wie der Nebel in ihn eindrang und ihn mit dem Geruch verwelkender Blätter erfüllte. Es fühlte sich anders an als eine Auflösung in ein Schemen, kälter, zwingender und unglaublich einengend. Wie ein Grab aus feuchter Erde. Noch bevor er protestieren konnte, entführte Chyriel ihn in das vergessene Irrenhaus im früheren Schlesien.
Nur wenige Sekunden später sprengten mehrere Hybridenvampire durch die Metalltüre des gleichen Raumes, die sie zuvor aus den Angeln gerissen hatten. Deckenhohe Stahlregale durchzogen die Fläche wie schnurgerade Gräten. Zerrissene Dokumente und Archivkartons lagen überall in den Gängen herum. Teilweise waren die Metallstreben der Regale verbogen. Sie blickten auf das Chaos, das Mengele hinterlassen hatte und fluchten laut. Wieder einmal zu spät!
"Den soll doch der Teufel holen", rief Shane aus, als er ebenfalls in das Archiv trat. Wütend holte er sein Handy heraus, um Leander von ihrer erneuten Niederlage zu berichten.
"Der würde sich in der Hölle viel zu wohl fühlen", murmelte einer der neben ihm stehenden Artgenossen. Die Enttäuschung stand in seinem Gesicht geschrieben. "Hier, das hat er wohl zurückgelassen." Er hob eine gepackte Reisetasche hoch, in der sich ein kleines mobiles Labor befand.
"Ziemlich überstürzter Aufbruch", meinte Shane noch, dann hatte er bereits den Halbengel in der Leitung. Auch dieser schien nicht glücklich über das Ergebnis ihrer nächtlichen Mission.
Niemand konnte ahnen, dass Mengele in dieser Nacht auf seinen persönlichen Dämon getroffen war.
* * *
"Du bist schwach", verkündete Chyriel seinem Geschöpf, das wie einst die Patienten dieses Hauses zusammengesunken vor dem Schreibtisch im Direktorenbüro saß und sich für seine Rettung gerade erst bedankt hatte. Die erdrückende Atmosphäre dieses verlassenen Anstaltsgebäudes hatte auch ihn ergriffen, löste jedoch eher so etwas wie ein Heimatgefühl bei ihm aus. Inmitten all des Leides schien er sich wohl zu fühlen! Chyriel verachtete ihn dafür. Er hatte ein Monster geschaffen.
Dies war der einzige Raum, der einigermaßen sauber und aufgeräumt aussah, was jedoch nicht über seine Geister der Vergangenheit hinwegtäuschen konnte. Leere Flecken an den Wänden verrieten die Stellen, an dem einst Bilder hingen. Eine fleckige Tapete mit grün-goldenem Paisley-Muster hing an diversen Stellen bereits lose von der Wand herunter. Dahinter bröckelte der Putz. Schwere dunkelgrüne Samtgardinen, von Motten zerfressen, hatten in früherer Zeit für die totale Verdunkelung gesorgt. In den Buchregalen schimmelten die letzten Bücher vor sich hin, die von einem großdeutschen Reich schwärmten. Rattenkot in einer Zimmerecke verriet die jetzigen Mitbewohner von Chyriel. Die einzigen, die hier noch lebendig waren.
Mengele wollte auf den Vorwurf hin protestieren. Chyriel sagen, was er herausgefunden hatte, ihn mit seinen neuen Plänen beschwichtigen oder ihm zur Not drohen, dass er auch eine ganze Armee neuer Vampire hätte erschaffen können. Sein Erschaffer, der wieder einmal am Fenster stand, hob die linke Hand. Obwohl er mit dem Rücken zu ihm stand, schien er jede Bewegung zu erfühlen und jeden Gedanken zu lesen. "Schweig, Größenwahnsinniger. Du bist ein Nichts. Nur eine Marionette deines eigenen Wahnsinns. Nichts hättest du erschaffen können, höchstens einen schwachen Hybriden."
"Aber auch diese könnten doch nützlich sein. Ihr Blut schenkt mir mehr Stunden vor dem Sonnenuntergang. Hören Sie, meine letzten Forschungen haben Erstaunliches zu Tage gebracht." Mengele stand auf und berichtete mit dem Feuereifer eines Wissenschaftlers von den letzten Experimenten. Regungslos hörte sein Erschaffer zu. Als der ehemalige KZ-Arzt geendet hatte, fuhr Chyriel herum. Seine Augen funkelten wie blauweiße Diamanten. Er schien ganz und gar nicht
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