Der Traum des Wolfs
Zuschauern machen.
»Faile«, sagte er leise, »du musst wissen, was ich getan habe, als du Gefangene warst. Ich tat Dinge, bei denen ich Angst hatte, dass sie mich in jemanden verwandeln, den du nicht länger haben wollen würdest. Es war nicht nur die Abmachung mit den Seanchanern. Da waren die Bewohner einer Stadt, So Habor, an die ich immer denken muss. Menschen, denen ich vielleicht hätte helfen sollen. Und dann war da ein Shaido, der die Hand …«
»Davon hörte ich. Anscheinend hast du getan, was du tun musstest.«
»Ich wäre noch viel weiter gegangen«, gab Perrin zu. »Und hätte mich die ganze Zeit gehasst. Du sprachst davon, dass ein Lord stark genug sein muss, um sich nicht manipulieren zu lassen. Nun, so stark werde ich nie sein. Nicht, wenn man dich mir nimmt.«
»Dann werden wir dafür sorgen müssen, dass mich keiner entführt.«
»Es könnte mich vernichten, Faile«, sagte er leise. »Ich glaube, mit allem anderen käme ich zurecht. Aber wenn du gegen mich benutzt wirst, ist nichts von Bedeutung. Ich würde alles tun, um dich zu beschützen, Faile. Alles.«
»Vielleicht solltest du mich dann in ein weiches Tuch hüllen und in einer verschlossenen Truhe aufbewahren«, sagte sie trocken. Seltsamerweise war sie nicht verärgert, das verriet ihm ihr Geruch.
»Das würde ich nicht tun«, sagte er. »Das weißt du. Aber es bedeutet, dass ich eine Schwäche habe, sogar eine schreckliche. Die Art Schwäche, die sich ein Anführer nicht leisten kann.«
Sie schnaubte. »Glaubst du, andere Anführer haben keine Schwächen? Jeder Monarch von Saldaea hat eine. Nikiol Dianatkhah war ein Säufer, obwohl er als einer unserer größten Könige galt, und Belairah heiratete und verstieß ihren Mann viermal. Ihr Herz brachte ihr immer nur Ärger ein. Jonasim hatte einen Sohn, dessen Spielschulden um ein Haar ihr Haus in den Ruin trieb, und Lyonford konnte sein Temperament nicht unter Kontrolle halten, wenn man ihn herausforderte. Jeder von ihnen war ein großer Regent. Und sie alle hatten ihre Schwächen.«
Nachdenklich kaute Perrin weiter.
»In den Grenzlanden haben wir ein Sprichwort: ›Ein poliertes Schwert spiegelt die Wahrheit wider‹. Ein Mann kann behaupten, seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, aber wenn sein Schwert nicht poliert ist, dann weiß man, dass er faul war.
Nun, dein Schwert glänzt hell, mein Gemahl. In den vergangenen Wochen hast du immer wieder behauptet, dass du während meiner Gefangenschaft ein schlechter Anführer warst. Du hast mich glauben lassen, dass du das ganze Lager in den Ruin getrieben hast! Aber das stimmt überhaupt nicht. Du hast dafür gesorgt, dass sie konzentriert waren; du hast sie inspiriert, ein starkes Vorbild geboten und dich wie ein Lord benommen.«
»Darum hat sich zum großen Teil Berelain gekümmert«, sagte er. »Ich glaube fast, die Frau hätte mich höchstpersönlich gebadet, wäre ich noch einen weiteren Tag ohne herumgelaufen.«
»Ich bin sicher, das wäre gar nicht gut für die Gerüchte gewesen«, meinte sie trocken. »Faile, ich…«
»Um Berelain kümmere ich mich«, sagte sie. Ihre Stimme klang gefährlich. »Das ist eine Pflicht, mit der du dich nicht belasten musst.«
»Aber…«
»Ich kümmere mich um sie«, sagte Faile nun energischer. Es war nicht besonders klug, sie herauszufordern, wenn sie so roch, es sei denn, er wollte einen Streit vom Zaun brechen. Sie entspannte sich und nahm noch eine Gabel Gerste. »Als ich sagte, du seist wie ein Wolf, mein Gemahl, da meinte ich nicht deine Tischmanieren. Ich sprach davon, wie du etwas deine Aufmerksamkeit schenkst. Du bist getrieben. Hast du ein Problem zu lösen, ganz egal, wie groß es ist, wirst du das auch erledigen.
Begreifst du das nicht? Für einen Anführer ist es eine großartige Eigenschaft. Es ist genau das, was die Zwei Flüsse brauchen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass du eine Frau hast, die sich um die nebensächlichen Dinge kümmert.« Sie runzelte die Stirn. »Ich wünschte, du hättest mit mir über das Banner gesprochen, bevor es verbrannt wurde. Es wird schwer werden, es wieder zu hissen, ohne dabei dumm auszusehen.«
»Ich will es nicht mehr hissen«, sagte Perrin. »Darum ließ ich es ja verbrennen.«
»Aber warum?«
Er nahm einen weiteren Bissen Schinken und sah sie bewusst nicht an. Sie roch fast schon verzweifelt neugierig.
Ich kann sie nicht anführen, dachte er, nicht bis ich weiß, ob ich den Wolf beherrschen kann. Wie sollte er das erklären?
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