Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
Vom Netzwerk:
Publikum und auf seine Schüler und legte dann mit sanfter Stimme und ohne Angst vor Gesichtsverlust seine Vergangenheit so minutiös dar wie ein Mikrochirurg, der winzige Arterien und Nervenbahnen freilegt.
    Was er erzählte, war dramatischer, als ich es mir je hätte vorstellen können, und diesmal war es kein Gleichnis, sondern die unverfälschte, nackte und grausame Wahrheit seines eigenen Lebens. Zum ersten Mal enthüllte er uns das Innerste seines Wesens, und mir wurde bewusst, dass auch ich ihn nicht wirklich gekannt hatte.
    »Ja, ich war geisteskrank. Ob ich es immer noch bin, überlasse ich eurem Urteil und dem von Psychologen und Psychiatern. Ich wurde mit schweren Depressionen, Anzeichen von geistiger Verwirrung und Halluzinationen in die Anstalt eingeliefert. Meinen Depressionen lagen schlimme Schuldgefühle zugrunde – Schuldgefühle gegenüber den Menschen, die ich am meisten geliebt hatte.«
    Der Meister holte tief Luft. Es sah so aus, als müsste er sich zunächst selbst wieder aufrichten und seine Gedanken ordnen, um dann mit der bitteren Geschichte fortzufahren. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass seine eigenen Fehler ihn so aus der Bahn hatten werfen können. War er nicht stark und großzügig – und so solidarisch und tolerant wie kein anderer?
    Da erklärte er zu unserer Überraschung: »Früher war ich ein überaus reicher und mächtiger Mann. Ich war erfolgreicher als jeder andere aus meiner Generation, und junge wie alte Leute holten meinen Rat ein. Wo auch immer ich meine Hände im Spiel hatte, blühte das Geschäft. Mein Spitzname war Midas, denn scheinbar alles, was ich berührte, wurde zu Gold. Ich war ein Visionär, erfinderisch und kühn und ohne Angst vor fremden Küsten. Die Leute bewunderten meine Fähigkeit, Niederlagen zu überwinden und daraus gestärkt hervorzugehen. Aber nach und nach hatte nicht mehr ich den Erfolg in der Hand, sondern er mich. Meine Triumphe drangen wie ein Gift bis in die intimsten Bereiche meines Inneren vor. Nichts ahnend verlor ich meine Bescheidenheit und wurde zu einem Gott – einem falschen Gott.«
    Wir waren bestürzt, und mir schwirrte der Kopf vor lauter Fragen: »Ob er früher wirklich reich war? Was für eine Macht soll das gewesen sein? Halluziniert er vielleicht wieder? Was ist mit den zerrissenen Klamotten, mit denen er durch die Gegend läuft? Sind wir etwa nicht von der Wohltätigkeit anderer abhängig?«
    Das Geständnis des Meisters animierte Bartholomäus zu einer seiner übermütigen Bemerkungen. Mit stolz geschwellter Brust rief er aus: »Und das ist mein Chef! Tja, ich hau halt nie daneben! Wusste doch immer schon, dass er Millionär ist!«
    Dann kratzte er sich am Kopf und fragte: »Aber warum sind wir dann ständig pleite?«
    Es war wirklich nicht zu verstehen. Vielleicht hatte er Konkurs anmelden müssen, wie so viele Unternehmer. Aber konnte eine Firmenpleite eine schwere psychische Krankheit auslösen? Konnte sie jemanden wirklich in den Wahnsinn treiben?
    Der Meister unterbrach meine Gedanken, denn er fuhr mit einem Geständnis fort: »Mein einziges Ziel bestand darin, aufzusteigen, Konkurrenten zu besiegen, der Erste und Beste zu sein, wenn auch innerhalb ethischer Grenzen. Ich wollte nicht nur einer von vielen, sondern einzigartig sein. So wurde ich zu einer Maschine, die unermüdlich damit beschäftigt war, Geld und noch mehr Geld zu produzieren. Das Problem beginnt nicht damit, dass man Geld besitzt, auch wenn es viel Geld ist, sondern dann, wenn das Geld einen besitzt. Als dieser Punkt in meinem Leben erreicht war, verstand ich, dass Geld ärmer machen kann. Ich war plötzlich so arm dran wie kaum ein anderer.«
    Mitzuerleben, wie ein Mann, der offenbar reich und mächtig gewesen war, seine Maske ablegte, um ein unnachgiebiger Kritiker seiner selbst zu werden, war zutiefst beeindruckend. Mir fiel kein einziger großer Staatsmann ein, der sich in der Öffentlichkeit so couragiert entblößt hätte. Und auch mir selbst fehlte der Schneid dazu. Das Geständnis des Meisters gab mir neuen Mut, und meine Bewunderung für ihn lebte wieder auf.
    Nun erzählte er die Geschichte, wie er, seine Frau und seine beiden Kinder zusammen mit Freunden Abenteuerurlaub in einem der letzten noch erhaltenen Urwälder machen wollten. Da Zeit für ihn ein kostbares Gut war, hatte er die Reise bereits Monate im Voraus geplant. Die Koffer waren schon gepackt, als ihm in letzter Minute eine wichtige Videokonferenz mit Investoren dazwischenkam, in der

Weitere Kostenlose Bücher