Der Traumkicker - Roman
Maluenda vor Zorn schäumen, sondern brachte jeden aufrechten Bewohner von Coya Sur in Rage. Am Morgen war nämlich der Arzt aus María Elena bei Felipe dem Traurigen gewesen (der wie alle Wucherer chronisch an Hämorrhoiden litt), und dessen Schwester, eine bucklige Alte, die bei ihm wohnte und sieben Tage die Woche von ihm als Hausmädchen ausgebeutet wurde, ohne einen müden Heller zu sehen, diese Schwester erzählte, der Herr Doktor habe ihr im Vertrauen gesagt, dass bei Tarzán Tirado, dem Torhüter unserer Elf, überhaupt nichts gebrochen sei.
»Wenn Sie mich fragen«, hatte der junge, erst kürzlich zugezogene Arzt gesagt, »hat man ihn eingegipst, damit er beim Rückspiel nicht dabei ist.«
Und das sei alles auf dem Mist des Trainers der Staubfresser gewachsen, dieses Karrieristen, der jeden Samstag mit dem Verwalter der Mine Tennis spielte und Whisky trank und jeden Abend wie Graf Koks mit seinen beiden großen deutschen Schäferhunden durch die Straßen von María Elena flanierte.
Tarzán Tirado war seit seinem ersten Tag in unserer Siedlung allgemein beliebt, und deshalb ließ diese Angelegenheit auch niemanden kalt. Als Schlussmann gehörte er zur leichtsinnigen Sorte, konnte während des Spiels einen Meteoriten am Einschlag in seinen Kasten hindern und dann in der letzten Minute einen Ball durchlassen, den noch der größte Volltrottel gehalten hätte. Obwohl das erst niemand glauben wollte, war Tarzán nicht sein Spitzname, sondern er hieß wirklich so. Seinem Vater war als fanatischem Bewunderer von Johnny Weissmuller nichts Besseres eingefallen, als zu Ehren seines Idols seinen Erstgeborenen auf den Namen von dessen berühmtester Filmfigur zu taufen; dabei erinnerten seine Bewegungen, seine Statur und seine Mimik, wie seine Freunde lästerten, doch weniger an den König des Dschungels als an die Äffin Cheetah. Unser Torwart war nämlich nicht nur extrem behaart, er besaß auch affenhaft lange Arme und riesige Handflächen undfischte deshalb Flanken zuweilen lässig mit einer Hand aus der Luft. »Die Hände meines Mannes sind die einzigen, in die meine Titten passen«, johlte die verrückte Maluenda gern.
Als Tarzán Tirado zum Arbeiten in die Siedlung kam und wir fragten, ob er Fußball spiele, bewegte er bloß den Kopf auf und ab. Als wir dann aber wissen wollten, auf welcher Position, bekam er einen Tobsuchtsanfall, schlenkerte mit den Armen wie ein Orang-Utan und blaffte, ob er denn nach was anderem aussehe als nach Torwart. Und er hatte vollkommen recht. Ein Blick, und man wusste sofort, dass er bloß Torwart sein konnte.
Tarzán Tirado war der am wenigsten herdenhafte Typ, den man sich vorstellen kann. Er erzählte, schon als Kind habe er Tormann sein wollen, weil der anders angezogen war als seine Mitspieler, weil er die Nummer eins trug, keiner ihm Anweisungen gab oder ihn über den Platz schickte, er einen Bereich für sich hatte und allein spielte: Bekam er ein dummes Tor, schämte er sich allein, und wenn er einen unhaltbaren Schuss abwehrte, stand der Ruhm allein ihm zu.
Zu Tarzáns Eigenarten gehörte auch, dass er sich nie bekreuzigte, ehe er aufs Feld lief, und zwar nicht, weil er nicht an Gott glaubte, sondern weil alle es taten. »Ich bin halt nicht wie alle, Kumpel«, sagte er und schlug sich an die Brust. »Ich bin Tarzán Tirado.«
Als alle hier draußen sich die Haare wachsen ließen und Frisuren trugen wie die Beatles, tat er sich Pomade ins Haar und zog sich nach Art eines Stummfilmschauspielers einen Mittelscheitel. Außerdem war er derKönig des Twist (der Solotanz schlechthin). Und auch wenn allgemein bekannt war, dass seine Frau ihn zu Hause herumschickte wie einen kleinen Straßenköter, auf dem Platz, wo es für uns drauf ankam, setzte er sich mit seiner Stimmgewalt und seinen willensstarken Anweisungen immer durch.
Allerdings war das Auffälligste an ihm, und dadurch wurde er zu einem echten Spektakel für die Zuschauer, der originalgetreue Tarzanschrei, den er bei jedem Angriff der gegnerischen Mannschaft in alle vier Winde schickte, und seine Spielchen und Clownereien, die er sich zwischen den Pfosten einfallen ließ, um sich über den Gegner lustig zu machen.
Unvergesslich die Partie gegen die Staubfresser, bei der er zum Hohn, weil so wenige Schüsse auf sein Tor kamen (wir spielten mit dem Wind im Rücken), sein schwarzes Oberteil auszog, die Ärmel an der Latte verknotete, sich dort hineinhängte wie in ein Trapez und zum Vergnügen des Publikums schaukelnd
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