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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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das Heulen der Hunde, das Gebrüll der Kinder auf den Armen ihrer Eltern, das Schreien der Eltern, die versuchten, die Kleinen zu beruhigen, und das Ach und Weh der Frauen, die aus den Häusern liefen, sich bekreuzigten und reumütig gegen die Brust schlugen, denn das schien wirklich das Ende der Welt, Himmel hilf, o grundgütiger Gott!
    Weil ihm Furcht und Bestürzung wie üblich nicht ausreichend schienen und die Not weiter geschürt werden musste, trat, vom Gewitterregen umpeitscht, der finstre Bruder Zacarías Ángel auf den Plan und predigte und eiferte, was das Zeug hielt.
    In seinem dunklen Bauernponcho stapfte er durch die schlammigen Straßen, schwang in der Hand die Bibelund verkündete mit alttestamentarischem Furor, das, ihr Sünderinnen und Sünder, sei die Flut, die alles hinwegspülen werde, der Zorn Jehovas, der jeden treffe, dessen Herz gottlos und dessen Gewissen unrein sei.
    Das Gewitter dauerte keine Stunde. Aber die Auswirkungen waren dennoch verheerend. Das Wasser drückte überall durch die löchrigen Dachbleche, verwandelte alles in einen einzigen Matsch und richtete schlimme Schäden an unserer spärlichen Habe an. Und weil obendrein die Elektroinstallationen hier draußen nicht für diese Art von Wetterereignissen ausgelegt waren (wozu auch in der trockensten Wüste der Welt?) und schon ein leichter Nieselregen Störungen im Stromnetz und Kurzschlüsse in den Häusern und bei der Straßenbeleuchtung auslösen konnte, versank an diesem Abend alles in Finsternis.
    Auf den rabenschwarzen Straßen herrschte ein einziges Wirrwarr und Durcheinander. Zwischen den Leuten, die durch den Schlamm schliddernd unterwegs waren, um eilig Kerzen und Streichhölzer zu besorgen, den Eltern, die ihre verlorengegangenen Kinder suchten, und den Liebespärchen, die (egal, ob schon länger zusammen oder kurzentschlossen die Umstände nutzend) den schönsten Vorteil aus der geschenkten Dunkelheit zogen, waren unverkennbar die Umrisse der vier Elektriker der Siedlung auszumachen, die mit Leitern und Taschenlampen alle Straßen abliefen, Schäden behoben, Glühbirnen austauschten und köstlich über diesen scheiß Regen schimpften, der doch zumindest hätte aus Rotwein sein können, mein Freund, finden Sie nicht?
    Als nach drei Stunden Finsternis die Stromversorgung repariert war und die Lichter wieder brannten, füllten sich die Straßen mit Grüppchen von Menschen, die aufgeregt über die Kapriolen des Wetters redeten. Auch im großen Saal des Gewerkschaftshauses war es einziges Thema. Zum Spielen war niemand aufgelegt, alle redeten und kommentierten den Regen; aber leise, fast wispernd, als fürchteten wir, die Kräfte der Natur noch einmal zu wecken. Oder den Zorn Gottes, von dem Bruder Zacarías Ángel, nass bis auf die Haut, an einer Ecke des Zielwurffelds noch immer lauthals kündete.
    Wir erzählten einander also gerade, was das Unwetter bei jedem daheim angerichtet hatte, als aus einem der hinteren Zimmer mit energischem Schritt und schimpfend wie ein Rohrspatz die Rothaarige in den Saal stürmte. Hinter ihr her kam der Traumkicker, versuchte zu beschwichtigen und hüstelte verlegen, deshalb taten wir, als wäre nichts, ließen uns aber keine Einzelheit entgehen.
    Nachdem sie ihm eine wüste Eifersuchtsszene gemacht hatte, bei der sie es in Wortwahl und Ton mit der übelsten Hafenhure hätte aufnehmen können, zwängte sie sich mit ihrem Köfferchen zwischen den Tischen hindurch zum Ausgang. Ihr war (gerade erst) zu Ohren gekommen, dass der Mann die Nacht mit der verrückten Maluenda verbracht hatte, und das Gerücht kam ihr wie gerufen, jetzt war Schluss, und sie war weg, das kannst du mir glauben, Schätzchen, und zwar endgültig.
    »Wäre ich gestern mit dir fortgegangen, dann bloß aus Mitleid!«, keifte sie, ehe die Tür hinter ihr zuflog.
    Niemand erfuhr, wohin die Frau an diesem Abend ging, aber wir hätten alle unseren Kopf darauf verwettet, dass der Morgen sie schlafend in Californias Junggesellenkabuff finden würde.
    Die Gunst des Stromausfalls nutzend, stahl sich Tuny Robledo an diesem Abend durch die Höfe der Calle O’Higgins, um Marilina zu sehen. Er konnte sie nur heimlich treffen.
    Die Mutter war zwar über Marilinas Verliebtheit im Bilde und fand es rührend und auch aufregend, ihr Geheimnis zu teilen, aber Mutter und Tochter war klar, dass der Vater auf keinen Fall etwas erfahren durfte.
    Weil der Präsident unserer Sportvereinigung (der Hostien kackte und Weihwasser pinkelte) seine

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