Der Traumkicker - Roman
und turnend wie ein Zirkusaffe auf den Ball wartete. Nach dem Spiel wurde er festgenommen. Weil die Mannschaft von María Elena damals nämlich von einem Polizeioberleutnant geführt wurde, und der befahl gleich nach Abpfiff, den Affenkomiker einzukassieren, er wurde in die Kaserne gebracht und musste dort dem gesamten Polizeipferdekorps das Hinterteil striegeln.
Am Freitagnachmittag wurde aus dem, was am Morgen ein Lüftchen gewesen war, ein eisiger und schneidender Wind. Man spürte die Luftfeuchtigkeit auf der Haut undbeim Atmen wie selten hier draußen. Am sonst hohen und gleißenden Himmel schoben sich die güterzugfarbenen Wolken eine Handbreit über unseren Köpfen zusammen.
Der Idee unseres Platzwarts folgend, begann unsere Mannschaft, kurz bevor die Busse aus Antofagasta nach María Elena eintrafen, mit ihrem ersten Training auf der Calle Balmaceda. Die Straße war breit und unbefestigt, und da sie den Kindern ständig als Fußballplatz diente, wunderte sich niemand besonders über das Training der Großen. Expedito González bekam ein weiß-gelbes Trikot und für seine Kunststückchen einen Platz bei der Mannschaft, wo man ihn nicht übersehen konnte. Derweil legte sich Cachimoco Farfán, seine Milchbüchse im Anschlag, gleich neben der Busstation für seine Berichterstattung zurecht, was er an Lobpreisungen und Metaphern auf Lager hatte.
Als die Busse kamen, erst der von Condor-Express und gleich darauf der von der Barrios-Flotte, geschah haargenau, was wir alle erwartet hatten. Die Passagiere drückten sich an den Scheiben staunend die Nasen platt, schauen Sie da, was für ein Genie, der wirbelt ja mit dem Ball wie der Teufel. Und Cachimoco Farfán gab alles bei der Beschreibung der Wunder, die »dieser Stern am Fußballhimmel, dieser Doktor Barnard des Dribblings vollbringt, ja, liebe Zuschauer, sehen Sie nur, diese Technik, mit der er den Ball von einer Seite auf die andere transplantiert«.
Einige konnten nicht widerstehen, stiegen aus dem Bus und wollten sich das aus der Nähe ansehen. Je näher sie kamen, desto mehr staunten sie. So dass später bei der Ankunft in María Elena alle davon redeten, die Aasfresser hätten einen neuen Spieler, völlig unklar, wo zum Teufel der herkam, aber eine Augenweide am Ball. Und wie die Papageien wiederholten sie, was ihnen von Cachimoco Farfáns Huldigungen im Gedächtnis geblieben war, dieser Expedito González (»so heißt der Mistkerl angeblich«) sei »ein Wunderknabe, meine Damen und Herren! Besser als der königliche Pelé, der krummbeinige Garrincha, der Glatzkopf Di Stefano, besser als all diese Pyrogene zusammen, überzeugen Sie sich selbst, jetzt und hier und beim Spiel am Sonntag, verehrte Damen und Herren, wenn wir ihnen eine Darmspülung von Toren verpassen, den papulösen Staubfressern!«
Die Busse nach María Elena waren noch nicht lange weg, da fielen die ersten Tropfen. Erst freuten sich viele über das wohltuende Nass und traten glücklich und nostalgisch im T-Shirt in die offenen Türen ihrer Häuser, um zuzusehen, wie es regnete und das Wasser mir nichts, dir nichts im staubtrockenen Boden verschwand; die Kinder liefen aufgeregt mitten auf der Straßen zusammen, spritzen sich gegenseitig nass und sangen: »Regne doch, regne doch, die Alte hockt in ihrem Loch!«
Aber so mancher hatte sich noch nicht mit seinem Matetee in der Hand in der Tür oder am Fenster zurechtgesetzt und die Knirpse die beste Stelle des Lieds, »es singen laut die Vögelein, die Alte steht auf einem Bein!«, noch nicht erreicht, da wurden aus den ersten erholsamen Tropfen die dicken Flatschen eines Wolkenbruchs, wie ihn die meisten seit ihren Kindertagendrunten im grünen Süden nicht mehr erlebt hatten. Und plötzlich brach zu unser aller Entsetzen und schneller, als wir gucken konnten, dieses Unwetter über uns los, mit Wetterleuchten, Blitzen und Donnergetöse.
Doch das war erst der Anfang. Als wir uns vom ersten Schreck erholt hatten und den Himmel schon betrachteten wie eine kosmische Kinoleinwand, setzte für einen Moment eine trügerische Ruhe ein, dann färbte sich der Himmel von allen vier Seiten jäh schwarz. Und gleich darauf prasselte ohne Vorwarnung der Hagel nieder, jedes Geschoss dick wie der Zierknauf an einem Bettgestell, und hämmerte mit apokalyptischem Getöse auf das Wellblech der Dächer ein.
Jetzt kriegten es die Leute richtig mit der Angst. Zum Zucken der Blitze, dem Krachen der Donnerschläge und dem Geprassel des Hagels auf dem Blech kam
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