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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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jüngste Tochter nämlich hütete wie den »kostbarsten Schatz, den die liebe Jungfrau mir im Leben gegeben hat«, und sie so gut wie nie allein aus dem Haus ließ. Schon gar nicht zu den Tanzvergnügen am Samstagabend. Also musste der junge Mittelstürmer sich tausend Wege ausdenken, um sie wenigstens heimlich für Augenblicke zu sehen. Selbst im Kino bedurfte es abenteuerlicher Einfälle und der Unterstützung von Türstehern und Platzanweisern, damit er neben ihr sitzen und ihre Hand halten konnte.
    Doch auch wenn Don Celestino Rojas nach Meinung seiner Arbeitskollegen unerträglich bigott war, auf den Kopf gefallen war er nicht, und er wusste sehr wohl, dass sich die Nummer Neun der Siedlungself nach seiner Tochter verzehrte. Dass er ihr schon ein Weilchen nachstieg. Nur wollte er bei aller Bewunderung für diefußballerische Leistung des Jungen (»wo die anderen in Prosa spielen, da spielst du in Versen«, sagte er oft väterlich vor versammelter Mannschaft zu ihm) nicht zulassen, dass die beiden sich sahen, und passte immer auf wie ein Schießhund.
    Tuny Robledo kam mit vom Schlamm schweren Schuhen bei Marilinas Haus an. Der Regen hatte das Salz im Boden gelöst und die Wege in eine matschige Suhle verwandelt. Das Blech der Dächer dagegen glänzte frisch gewaschen im Schein des Mondes, der zwischen den letzten verbliebenen Wolken hing.
    Ein großer, strahlender Mond, überwältigend in Szene gesetzt durch die Dunkelheit, in der die Siedlung lag.
    Nachdem er, wie verabredet, ein paarmal gepfiffen hatte, kam das Mädchen nach hinten zur Küchentür. Sie küsste ihn zärtlich im Zwielicht auf der Türschwelle, dann sagte sie, es tue ihr leid, aber sie müsse gleich wieder rein. Ihr Vater rede vorn an der Tür mit den Nachbarn und könne jeden Moment kommen und sie rufen. Aber morgen fahre er nach Antofagasta und bleibe bis Sonntag dort; sie hätten den ganzen Tag für sich.
    Sie löste sich nur widerstrebend aus seinen Armen, küsste ihn noch einmal, und dann, ehe sie hineinging und die Tür leise hinter sich schloss, flüsterte sie ihm ins Ohr, sie habe eine Überraschung für ihn: Morgen werde sie ihm ihre Liebe beweisen. Sie versprach es zitternd.
    Tuny Robledo war wie vom Donner gerührt.
    Ein Knüppelhieb auf den Kopf hätte nicht durchschlagender sein können. Sein Herz war ein prall aufgepumpter Fußball, der von innen gegen seine Brust gedroschenwurde. Er setzte einen Fuß vor den anderen, als hätte er Luft unter den Schuhen, fühlte sich genau wie auf dem Platz, wenn er an zwei oder drei Abwehrspieler vorbei aufs Tor zulief, alle Müdigkeit von ihm abfiel, er die Druckstelle am Zeh nicht mehr spürte, die Schreie und das Klatschen von der Tribüne nicht hörte, als hätte jemand auf dem Feld den Ton abgestellt, als gäbe es auf der Welt nichts als ihn und den Ball. Genau so fühlte er sich jetzt, als er auf seinem Weg durch die dunklen Höfe im Schlamm watete. Auf der Welt gab es nur ihn und sein Stürmerherz. Er konnte es nicht glauben. Morgen würde es so weit sein. Und das mit ihr, mit Marilina. Ab morgen wäre er kein »Heimwerker« mehr, wie seine Freunde spotteten. Er musste es Choche Maravilla erzählen. Sich Rat bei ihm holen. Der würde ihm sagen können, wie um alles in der Welt er das anstellen sollte, wie man es am besten machte.
    Als dann aber eine Stunde später der Strom in den Häusern und die Straßenlaternen wieder funktionierten und die beiden Freunde zusammen auf einer Bank an der Plaza Redonda saßen, zog ihn Choche Maravilla erst einmal durch den Kakao. Wo er sich nun endlich anschickte, seinen Pinsel in die Farbe zu tunken, werde er ihm zunächst die drei magischen Tricks verraten, durch die selbiger etwas umfangreicher wirke.
    »Denn ein zweiter Graf bist du sicher nicht!« Und er prustete vor Lachen.
    Die Tricks seien folgende, aufgepasst: Erstens, die Haare um den Stumpf herum rasieren, bis er kahl wäre wie ein Truthahnhals. Zweitens, dafür sorgen, dass seineAbgebetete ihn immer von der Seite sah. Und drittens,... hier brach Choche Maravilla, der über die eigenen Witze immer am meisten lachte, in schallendes Gelächter aus und konnte fast nicht weiterreden.
    »Und drittens, Tunito, solltest du echt drauf achten, dass deine Freundin kleine Hände hat!«
    Tuny Robledo lachte nicht und war auch nicht eingeschnappt. Er fühlte sich noch immer wie belämmert.
    Er solle sich nicht so anstellen, sagte sein Freund schließlich. Ob er denn glaube, man lerne das in Fernkursen? Sein

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