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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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der Straße vor dem Minenladen absetzten). Felipe der Traurige war früher bei der Heilsarmee gewesen, trug immer dieselben Kleider (die schäbige Uniform seiner ehemaligen frommen Heerschar) und gab als Geldverleiherund Wucherer eine lebensechte Darbietung des Geizes: Alle Welt versetzte die Lohnstreifen bei ihm, und donnerstags scharten sich vor seiner Tür mehr Leute als am Schalter im Lohnbüro. Der bolivianische Gringo war Schichtführer und verkörperte aufs hochmütigste den Hochmut: Er war klein und dunkelhäutig und hatte das Gesicht eines Hochlandindios, hielt sich aber für weiß; er rauchte ausschließlich importierte Zigaretten, die er für teures Geld von den Schiffen in Tocopilla bezog, und wechselte mit keinem Rangniedrigeren ein Wort. Das Pipigesicht war ein massiges Weibsbild mit säuerlicher Miene und einem grimmigen Zug um den Mund, eine meisterliche Darstellung des Zorns; von früh bis spät geiferte sie gegen ihren Mann, schlug ihre Töchter und war mit der halben Siedlung zerstritten. Doña Doñita Mamani war der personifizierte Neid: eine kleine, leise, etwas modrige Person mit verhuschten Äuglein und den schütteren Strähnchen eines ältlichen Püppchens, die immer in Verkleinerungsformen sprach und allen in die Fenster linste, um zu sehen, welche Möbel in den Wohnungen von Dieserchen und Jenerchen standen und welche man dort vermisste. Und die aufreizende und brünstige verrückte Maluenda spielte selbstverständlich die Rolle der Wollust, die ihr wegen ihrer redlich errungenen fleischlichen Verdienste auch kein Mensch in der Siedlung streitig machte. Und eben mit ihr, mit der verrückten Maluenda, hatten die beiden Gerüchte des Tages zu tun.
    Das erste besagte, jemand habe morgens in aller Herrgottsfrühe aus ihrem Haus, durch die Tür zu den Höfen,keinen Geringeren als Expedito González herauskommen sehen. In den Schlangen im Minenladen hieß es vollmundig, das habe man ja lang kommen sehen, weil die verrückte Maluenda, wie Sie ja wissen, meine Beste, dem Ballkünstler unverhohlen schöne Augen gemacht habe, sobald sie von seinem gewaltig vergrößerten Hoden erfuhr. Ja, liebe Frau Nachbarin, die hatte doch schon immer einen Hang zu kauzigen und ungestalten Kerlen, böse Zungen behaupteten ja sogar (und die weniger bösen wiederholten es fröhlich), auf der langen Liste von Männern, die ihr Lager geteilt hatten, fänden sich, um nur die klingendsten Namen zu nennen, neben dem Grafen der Chef des Minenladens und der Spinner mit der Büchse. Mit dem Grafen hatte sie es gewiss wegen der beunruhigenden Geschichten über die außergewöhnlichen Ausmaße seines Gemächts getrieben, mit dem Chef des Minenladens bloß, um sich einmal begraben zu fühlen unter seiner weichlich morbiden, elefantösen Fettleibigkeit (an Kilos und Adipositas einzig übertroffen von Doña María Marabunta), und mit dem Spinner Cachimoco Farfán nur deshalb, weil sie gemeinerweise hatte wissen wollen, wie sich das »anfühlt« mit einem »echten Irrenhausirren« zwischen den Beinen. Und in letzter Zeit wurde in der Siedlung auch viel darüber geredet (»um Himmels willen, erzählen Sie das bloß nicht weiter, meine Liebe«), dass die verrückte Maluenda sogar mit Gambetita im Bett gewesen war, dem behinderten Alten, der die Fußbälle flickte und ungeschlagener Champion am Damebrett war. Ihre engsten Freundinnen erzählten, zu dieser »Ungeheuerlichkeitmit dem armen, verkrüppelten Christenmenschen« sei es nur gekommen, weil die verrückte Maluenda wollte, dass der Mann seine orthopädischen Schuhe auszog und sie seine nackten Klumpfüße sah.
    Im Saal des Gewerkschaftshauses wurde gemault, da liege also der Hase im Pfeffer, Kumpel, deshalb lasse sich dieser Mistkerl von Gambetita ab und zu von Tarzán Tirado besiegen. Wobei sie allerdings nicht wussten, dass die verrückte Maluenda persönlich um diesen besonderen Gefallen gebeten hatte, und er hätte ihn ihr unmöglich abschlagen können; erstens konnte man bei diesem Weibsstück sowieso nicht nein sagen, und zweitens nicht wegen der Art, dem Ort und dem Zeitpunkt ihrer Bitte. »Der Ärmste würde so überglücklich heimkommen, könnte er mal vor seinen Freunden eine Partie gewinnen«, sagte sie, sah von unten hoch und hatte dabei den Ausdruck einer unersättlichen Kuh in ihren hellen Augen.
    Das zweite Gerücht drang etwas später, es war schon fast Mittag, aus dem Haus des Geldverleihers nach draußen.
    Und dieses Gerücht ließ nicht nur die verrückte

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