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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Freude, die in seinem Innern aufwallte, einer Freude, die neu war, unbändig, weltumspannend, nahm er sie in die Arme, küsste ihr Haar, ihre Stirn, ihr Gesicht überall. Dann strahlte er sie an und sagte leise in Cachimocos Farfáns Tonfall:
    »Das war elektrokardiogrammatisch gut, Süße!«
    Es war Mitternacht vorbei, als Tuny Robledo Marilina bis an ihre Haustür begleitete und dann, was er selten tat, nicht heim ins Bett, sondern auf einen Sprung ins Rancho Huachipato ging. Er wollte seine Initiation mit einem Glas Rotwein begießen; was ebenfalls nicht zu seinen Gewohnheiten gehörte.
    Überrascht, unseren Mittelstürmer hier zu sehen und noch dazu um diese Uhrzeit, winkten wir ihn gleich zu uns an den Tisch. Tuny Robledo schüttete ein erstes Glas Wein hinunter, als wäre es Wasser, und meinte dann zu Don Agapito Sánchez, ab morgen trete er jeden Elfmeter, den er von ihm sehen wolle.
    »Und bloß nicht fragen, wieso, Trainer!«, frohlockte er.
    Wir saßen hinten im Lokal, gegenüber dem stillen Tisch mit den vier erlauchtesten Trinkern der Siedlung. Dort versuchten wir, Expedito González zu trösten, dernicht aufhören wollte zu weinen und wie ein Verdammter trank. Von der Abfuhr der Rothaarigen tief getroffen, redete unser Traumkicker die ganze Zeit sturzbetrunken davon, dass er jetzt erst gemerkt habe, wie verliebt er in dieses Miststück sei. »Ich und der Bobo, bis über beide Ohren verliebt«, jammerte er und trank und bat Samuelito, doch noch einmal diese Ranchera für ihn aufzulegen, die er schon ein Dutzend Mal für ihn aufgelegt hatte, und dann sang er mit weinerlicher Stimme zusammen mit Miguel Aceves Mejías: vier Schüsse, die barsten / um zwei in der Nacht / ich wollte ihn töten in deinen Armen / ich wusste, dort war er zu finden / und glaube nicht, man hätte es mir gesagt / mein Herz, das hat es erraten .
    Aber wir waren eigentlich nicht hergekommen, weil wir dem Künstler am Ball beistehen wollten; wir feierten vielmehr, was uns Concha der Dorfsheriff am Abend mitgeteilt hatte: dass aus Antofagasta gemeldet worden war, der Verwaltungsoffizier komme nicht zum morgigen Spiel. Also würden Cachimoco Farfán und die vier »Humanoiden«, wie ein Mitglied der Militärjunta die Regimegegner nannte, nicht wie sonst den Tag auf der Polizeiwache hinter Schloss und Riegel verbringen müssen. Und das war ein guter Grund zum Feiern. Weil man nämlich das eine Mal, als dem Diktator höchstselbst eingefallen war, eine Rundreise durch die Wüste zu unternehmen, die armen Teufel mitsamt ihren Familie eingesperrt hatte, Kleinkinder, Säuglinge und Hunde inbegriffen, und das, obwohl der Wichser am Ende gar nicht in unserer Siedlung vorbeikam.
    Später legte uns Don Agapito Sánchez zum x-ten Mal und lang und breit seine Thesen über den Einfluss der Trainer im Fußball dar. »Von den alten Trainern von früher und den neuen von heute«. Er sei schon immer der Meinung, dass der entscheidende Unterschied zwischen einem Trainer alter Schule und einem dieser neuerdings auftauchenden »technischen Direktoren« mit der Magie und dem Spaß am Fußballspielen zu tun habe. So einfach, meine Lieben. Was diesem schönen Sport durch besagte Laborstrategen verlorenging, war nicht mehr und nicht weniger als die Freude am Spielen. Das erkannte man schon an einem einzigen Satz: So ein Trainer von früher, der sagte noch: »Auf Jungs, Zeit zum Spielen!« Hingegen stand der neue mit dem Taschenrechner in der Hand da wie ein kalter Fußballingenieur und forderte mechanisch: »An die Arbeit, meine Herren!«
    Don Agapito Sánchez ereiferte sich gerade darüber, dass diese Spielverseucher jetzt sogar schon das ruhmreiche 3-2-5 demontierten, andere defensivere und bis zum Kastratentum unfruchtbare Mannschaftaufstellungen einführten und dabei das Wesen des Spiels vergaßen, nämlich das Toreschießen, da trat Juanito Caballero in die Tür.
    Er sah derart entsetzt aus, dass es zum Lachen reizte.
    Schlotternd vor Angst berichtete uns der Zeugwart, er sei allein im Vereinsheim gewesen und habe sich um die Trikots für den nächsten Tag gekümmert (»die Strümpfe paarweise zusammengelegt, die eine oder andere Hose geflickt, die Nummern an den Trikots befestigt«), undda seien ein paar Kerle in einem Auto Richtung María Elena vorbeigefahren und hätte mit einem Stein die Scheibe eingeworfen. »Fast hätten sie mich am Kopf getroffen«, sagte er und versuchte mit zittrigen Fingern die vier kläglichen Strähnen seiner »beginnenden«

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