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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Jeans, und wenn er es richtig anstellte,
     dann kam er vielleicht heute abend noch zum Zug.
    »Lassen Sie mich jetzt zu dem Grund kommen, warum Sie hier sind.«
    Ein paar Medienvertreter klatschten sarkastisch, aber die Madame lächelte nur würdevoll.
    »Ich darf Ihnen sagen, daß es nicht einfach war. In einigen Fällen liegen die tragischen Ereignisse vierzehn Tage zurück.
     Die Zeit reduziert unglücklicherweise die Aura. Sie müssen sich das vorstellen wie Geräusche, die durch den Raum reisen. Je
     weiter man entfernt ist, desto schwächer werden sie. Und wenn ein Mord an einem öffentlichen Ort geschieht, wie beispielsweise
     auf einem Parkplatz, an einem Strand oder in einem Fahrstuhl, dann gibt es so viele verwirrende Schwingungen. Um noch einmal
     die Analogie zu Geräuschen zu bemühen, es ist, als würden alle möglichen Leute zugleich reden. Dann ist es schwierig, eine
     einzelne Stimme zu hören.«
    Sie beginnt schon, sich zu entschuldigen, dachte Louw. Die Journalisten rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her.
    »Ich kann erkennen, daß einige von Ihnen glauben, daß ich schon beginne, mich zu entschuldigen …«
    Herrgott, dachte Louw, sie kann Gedanken lesen.
    »… aber ich bitte Sie noch einmal, Ihre Bedenken für später zu bewahren, denn ich habe genug wahrnehmen können, um ein recht
     klares Bild zu zeichnen.«
    Plötzlich wurde es so still im Saal, daß man nur noch die Klimaanlage hören konnte – und das Surren der Sony Betacams.
    |357| »Erst einmal habe ich viel Haß und Angst gespürt. Selbst auf dem Parkplatz in Newlands sind Haß und Angst noch faßbar …« Die
     Journalisten kritzelten wie wild auf ihre Blöcke. »Haß, soviel kann ich Ihnen sagen, der sich über viele Jahre aufstaute,
     um so stark zu werden. Und Angst, die zurückgeht zum Ursprung der Zeit. Ich sehe …« Dann schloß Madame Jocelyn Lowe die Augen,
     sie hob die Hände vor sich. »… ein Wesen, das besessen ist, getrieben, übermannt. Die Muster sind nicht rational, die Normalität
     ist nur noch ein Schatten. Ein Wesen bewegt sich durchs Zwielicht, groß und drohend, ein Jäger voll Hunger nach Rache. Er
     tritt in einen leichten, fahlen Lichtschimmer. Ein Hut nimmt Form an, mit breiter Krempe. Langsam bilden sich Gesichtszüge
     heraus, grob, verzerrt, die Augen leuchten vor Haß. Ich spüre einen Bart, er ist hell, vielleicht sandfarben, üppig, er fließt
     von Kinn und Wange bis in den Mantel. Seine Hände … Sie sind groß, grobschlächtig von der Arbeit mehrerer Generationen auf
     dem nackten Land. Er hält eine eigenartige Feuerwaffe an seiner Seite, er wartet, sucht, wahllos, nach jenen … Ein Jäger,
     ein Krieger, eine Rückkehr in eine vergessene Zeit, eine geisterhafte Erscheinung. Aber er ist aus Fleisch und Blut, er ist
     wahr, sein Haß ist wahr, seine Angst …«
    Sie öffnete die Augen und stand einen Augenblick still, dann griff sie nach dem Wasserglas, das neben ihr auf dem Pult stand,
     und nahm einen kleinen Schluck.
    »Sie müssen verstehen. Es ist sehr anstrengend.« Noch ein Schluck. Dann sagte sie ruhig, ohne den theatralischen Auftritt,
     mit sanfter Stimme, aber laut genug, daß man sie in jeder Ecke des stillen Raums hören konnte: »Ich habe Grund, anzunehmen,
     daß die Morde politisch motiviert sind. Nicht, meine Damen und Herren, von der Politik, die Sie und ich |358| kennen, sondern von der Politik eines leicht zurückgebliebenen Geistes. Ja, ich habe einen Mann gespürt, einen merkwürdigen
     Mann, ein eigenartiges Wesen. Einen Mann, dessen Erbe schwer auf seinen Schultern lastet, der die Last einer Nation trägt.«
    »Wollen Sie sagen, daß es ein Afrikaander ist?« konnte ein Reporter der
Weekly Mail
sich nun nicht mehr verkneifen.
    Madama Lowe lächelte ein wenig: »Ich habe ihn nicht sprechen gehört, Sir.« Gedämpftes Lachen war zu hören, die Spannung im
     Saal entlud sich.
    »Aber Sie haben gesagt, sein Bart wäre sandfarben. Also ist es ein Weißer.«
    »Ist er kaukasischer Abstammung? Ja. Soviel kann ich sagen.«
    »Und er trägt einen Hut?«
    »Ja.«
    Plötzlich schossen aus allen Ecken Fragen auf sie zu. Madame Lowe hob die linke Hand. Die Steine in ihren Ringen brachen das
     Licht. »Bitte, ich bin beinahe fertig, aber ich möchte noch etwas hinzufügen.«
    Wieder Stille.
    »Ich habe einen Hut gespürt. Das heißt jedoch nicht, daß er ihn jedesmal trägt, wenn er den Abzug drückt. Ich habe auch einen
     langen schwarzen Mantel gespürt. Aber wie gesagt,

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