Der Traurige Polizist
das sind nur Schwingungen, das könnte auch darauf hindeuten, daß er diese
Kleidungsstücke gern trägt. Da war noch etwas. Er lebt nicht in dieser Stadt. Er hat hier kein Heim. Wenn Sie sein Zuhause
finden wollen, müssen Sie anderswo suchen. Sie müssen nach einem Ort suchen, wo das Land weit und die Sonne kraftvoll ist.
Sie müssen nach einem Ort suchen, wo man keine Berge sehen kann, wo die Flüsse trocken |359| sind.
Dort
ist dieser Mann zu Hause. Dort hat er seinen Haß und seine Angst genährt.
Dort
hat er die teuflische Kraft gefunden, die ihn zum Töten treibt. Und jetzt werde ich gern Ihre Fragen beantworten. Aber bitte
denken Sie daran, ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
Hände flogen nach oben, es wurden Fragen gestellt.
Die Reporterin des
Argus
wandte sich zu Louw um und lächelte. »Was glauben Sie? Als Polizist?«
»Ich glaube, sie redet Scheiße«, sagte Louw ganz ehrlich und schämte sich sofort, daß er solch ein Wort benutzt hatte. Manche
Frauen mochten es nicht, wenn man fluchte, und er wollte sich die Chance nicht verderben.
»Das glaube ich auch«, sagte die Reporterin und lächelte wieder. »Kann ich Sie auf ein Bier einladen?«
»Nein«, sagte Louw. »Ich lade Sie ein.«
Jouberts Abendessen bestand aus einem Hühnereintopf: 60 Gramm Huhn (ohne Haut), 60 Milliliter (fettfreie) Sauce, 125 Milliliter
gemischtes Gemüse und so viel gekochten Blumenkohl, wie er mochte – und eine gottverdammte Fetteinheit.
Danach eine einzige geschmacksintensive Winston, ein Schlückchen Whisky.
Sein Leben wurde in Gramm gemessen.
Trotzdem freute er sich auf die Zigarette und den Drink. Deswegen allein lohnte sich der öde Abend. Das war seine Belohnung.
Nachdem er bei Gail Ferreira angerufen und sie alle seine Fragen negativ beantwortet hatte, war er zu einem Spirituosenladen
gefahren und hatte sich eine Flasche Whisky gekauft. Glenfiddich, denn das war der teuerste, und er wollte |360| einen anständigen Whisky trinken, nicht den billigen Dreck mit den peinlichen schottischen Namen, der als Sonderangebot im
Regal stand. Danach war er zu einem Café gefahren und hatte sich ein Päckchen Winston geholt, das nun auf dem Tisch lag, ungeöffnet
und vielversprechend. Oh, das würde wunderbar sein. Oh, der erste Zug, der nach Streichholz schmeckte (weil er sein verfluchtes
Feuerzeug heute morgen mit den Special Milds weggeworfen hatte) und den er tief einsaugen würde …
Das Telefon klingelte. Er lief durch den Flur, im Gehen aß er ein Stückchen Blumenkohl.
»Joubert.«
»Hier ist Hanna Nortier.« Diesmal war die Müdigkeit in ihrer Stimme unverkennbar. Er wollte sie an sich ziehen und ihr sagen,
daß alles gut werden würde. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, sagte sie, und plötzlich tat es ihm leid, daß er
sie gefragt hatte.
Er wußte nicht, was er sagen sollte.
»Sie sind ein Patient.«
Wie hatte er das vergessen können? Wie hatte er sie in eine solche Position bringen können? Er wünschte sich, es gäbe einen
anständigen Ausweg für sie …
»Aber ich muß auch mal rauskommen«, sagte sie, als spräche sie mit sich selbst. »Darf ich Ihnen meine Antwort morgen geben?«
»Ja.«
»Ich danke Ihnen, Mat«, sagte sie und legte auf.
Er ging zurück in die Küche.
Die Reporterin war gerissen wie ein ganzer Käfig voller Affen. Sie wartete, bis sie beim fünften Bier in der Ladies Bar |361| des Cape Sun waren. »Ich habe gehört, dieser Wallace hat herumgeschlafen.« Keine Frage, eine Aussage, ihr Englisch jetzt mit
einem deutlichen Afrikaans-Akzent, denn obwohl sie ganz schön was wegstecken konnte, war es nicht leicht, mit dem Polizisten
mitzuhalten.
»Ihr Journalisten wißt immer alles«, sagte Louw voll ehrlicher Bewunderung.
Das war nicht das, was sie hatte hören wollen. »Ich weiß nur wenig.«
»Ja, Wallace war stets bereit. Bis zum Schluß. Er hat es im Hotel mit einer Blondine getrieben, und als er rausging, haben
sie ihn umgelegt.«
»Aber er war verheiratet.«
»Das hat ihn nicht von der Blondine abgehalten.« Louw wurde plötzlich klar, mit wem er da sprach. »Sie werden … Sie werden
mich doch nicht zitieren, oder?«
»Ich halte den Mund.« Die Reporterin lächelte ihn an.
Heute habe ich Glück, dachte Louw. »Sie war aus Johannesburg. Irgendwas mit Computern. Und dann hat Wallace sie gebumst, beim
Mittagessen. Ich habe den Namen der Frau hier irgendwo.« Er zog sein Notizbuch heraus und blätterte darin,
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