Der Traurige Polizist
eine
Birne?
»Was ist nur mit mir los?« sagte er laut.
»Mr. Mat?« fragte Emily aus der Küche.
Bart de Wit jr. gewann das Spiel mühelos, weil die Gedanken seines Vaters abschweiften.
Sein Vater dachte nach. Die große Frage war, ob die Zeitung |208| von Jouberts psychologischer Behandlung wußte und von den dunklen Einträgen in seiner Akte. Und wenn sie es wußten, woher
hatten sie die Information?
Aber wenn er davon ausging, daß sie es vielleicht nicht wußten, wie standen dann die Chancen, daß sie es herausfanden?
Sie sind wie Hyänen, dachte er. Sie kauen und beißen auf einem Knochen herum, bis er zerbricht und sie das süße Mark einer
Geschichte unter lautem Schmatzen heraussaugen können.
Ob sie es nun wußten oder nicht, er würde Captain Joubert von den Ermittlungen entbinden. Montagmorgen.
Das war nicht angenehm, aber es gehörte zur Führungsarbeit. Manchmal mußte man Opfer bringen, damit die Gerechtigkeit ihren
Lauf nehmen konnte.
Lieber gab er die Fälle Gerbrand Vos.
Es war, als höbe sich ein Gewicht von seinen Schultern. Er war erleichtert. Er konzentrierte sich wieder auf das Schachbrett
vor sich.
»Schachmatt«, sagte Bart jr. und rieb sich mit dem Finger den Nasenflügel, obwohl er dort gar keine Warze hatte.
Er brachte Mrs. Nofomela mit dem Wagen zur Busstation in Bellville, dann fuhr er wieder heim. Er war müde, schmutzig, verschwitzt,
hungrig. Je länger er über seinen Hunger nachdachte, desto größer wurde er.
Er entschied sich, daß er eine ordentliche Mahlzeit brauchte. Kein Junkfood. Er würde in ein anständiges Restaurant gehen.
Er würde sich ein Steak bestellen, dick und saftig, ein Filet, das ihm im Mund schmolz, mit …
Nein, er mußte sich an Fisch halten. Wegen der Diät. Afrikanischen |209| Aal. Ein großes, dickes Stück afrikanischen Aal mit Zitronen-Butter-Soße. Nein, Seezunge, gegrillt, mit Käse und Pilzsoße,
wie man sie im Lobster Plo zubereitete.
Sein Magen knurrte wie Donner in der Ferne. Wann war er zum letzten Mal so hungrig gewesen? Richtig hungrig, so daß ihm fast
schon schwindelig wurde, aufnahmefähig für feinste Geschmacksnuancen, voller Vorfreude auf das Sättigungsgefühl? Er wußte
es nicht.
Er badete, zog sich um und fuhr zum Restaurant. Schon als er sich setzte, wußte er, daß die Entscheidung falsch gewesen war.
Ihn störten nicht nur die Leute, die den großen Mann anstarrten, der alleine saß. Ihm wurde, als er die Pärchen anschaute,
die an den anderen Tischen leise und vertraut miteinander redeten, schmerzhaft klar, daß er allein war.
Er schaufelte seine Seezunge in sich hinein, weil er fort wollte. Dann fuhr er nach Hause. Er hörte das Telefon schon klingeln,
als er zur Tür hereinkam. Er lief schnell, mit schwerem Schritt, und griff nach dem Hörer.
»Hallo, Captain Joubert?«
Er erkannte die Stimme. »Hallo, Dr. Nortier.«
»Erinnern Sie sich noch, daß ich von der Therapiegruppe erzählt habe?«
»Ja.«
»Morgen vormittag besuchen wir eine Voraufführung des
Barbier
für die Freunde der Oper. Um elf Uhr vormittags im Übungssaal des Orchesters im Nico. Ich wollte fragen, ob Sie mitkommen
wollen.«
Ihre Stimme sang und tanzte über die elektronische Ferne zwischen ihnen hinweg. Er sah sie im Geiste vor sich.
»Ich …«
|210| »Sie müssen sich nicht gleich entscheiden. Denken Sie darüber nach!«
»Ich baue gerade ein Bücherregal.«
Sie klang überrascht und beeindruckt. »Ich wußte gar nicht, daß Sie gern mit Holz arbeiten.«
»Nun … äh …«
»Na ja, vielleicht sehen wir uns morgen.«
»Vielleicht«, sagte er und verabschiedete sich. Er schaute auf die Uhr. Halb acht. Was hieß, daß auch sie am Samstagabend
nicht viel vorhatte.
Das beruhigte ihn.
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|211| 23
Oliver Nienaber las die Sonntagsausgabe des
Weekend Argus
.
Er lag im Bett, seine Frau neben ihm. Sie las die Magazin-Beilagen der Zeitung. Das gehörte zu ihrem Sonntagmorgenritual.
Abgesehen davon, daß Oliver Nienaber seit dem Tag zuvor die Zeitungen viel aufmerksamer las als sonst. Nur deswegen bemerkte
er den kleinen Bericht über Carina Oberholzer.
Plötzlich mußte Oliver Nienaber unbedingt aufstehen. Er mußte sich bewegen, er wollte wegrennen, er wollte den Geschehnissen
entfliehen. Das Timing hätte gar nicht schlimmer sein können, denn er stand kurz davor, seine Wünsche zu verwirklichen, seinen
Traum wahr werden zu lassen. Alles lief so gut, bei ihm, seiner Familie, im
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