Der Traurige Polizist
Laras Nachtisch. In ihrer Schublade lagen immer neue Batterien. Er
sah nach. Sie waren noch dort. Er schob sie ins Radio und schaltete es an. Er kurbelte an ein paar Musiksendern |202| vorbei, bis er RSG fand, den Afrikaans-Sender. Zwei Männer berichteten von einem Cricket-Spiel. Er trug das Radio in die Garage,
um dort zu sägen.
Im Radio spielten sie ein Stück Burenmusik. Das rief Erinnerungen wach. Sein Vater interessierte sich nicht für Cricket, aber
bevor es Fernsehen gab, hörte er am Samstagnachmittag Rugby-Spiele. Und er fluchte auf die Reporter, die Spieler und den Schiedsrichter,
wenn Western Province verlor. Nach dem Spiel, bevor sie zu den Zusammenfassungen in die anderen Stadien schalteten, gab es
immer ein Stück Burenmusik oder etwas von einer Band. Das war für seinen Vater das Signal, aufzustehen und in der Bar des
Royal seinen Drink zu nehmen. Und Joubert mußte das Feuer schüren, denn Samstagabends wurde gegrillt. Manchmal mußte er das
Feuer bis spät in die Nacht mit Akazien-Scheiten füttern, denn sein Vater erlaubte es niemand anderem, das Fleisch zu grillen.
»Das ist Männerarbeit.«
Am Anfang hatte er es gemocht, seinen Vater aus der Bar zu holen. Ihm hatten die Wärme dort gefallen, die gutmütigen Freundschaften,
der Respekt, den die Leute dort für seinen Vater hegten.
Joubert begann zu sägen. Schweiß lief ihm über die Stirn. Er wischte ihn mit seinem Handrücken weg und hinterließ einen schmutzigen
Streifen auf seinem Gesicht.
Über das Geräusch der Säge hinweg hörte er den Reporter sagen: »… Zeelie von der anderen Seite. Er erreicht das Wicket. Und
Loxton spielt defensiv zurück zum Werfer …«
Zeelie, seine große Hoffnung als Verdächtiger. Er hatte Gail Ferreira nie gefragt, ob ihr Mann Zeelie gekannt hatte, aber
er war ziemlich sicher, wie die Antwort gelautet hätte.
Drei ungeklärte Morde. Ohne Gemeinsamkeiten. Ein Familienvater, |203| ein Schwuler und ein Krüppel. Ein promiskuitiver Heterosexueller, ein konservativer Homosexueller, ein Porno-Süchtiger. Verheiratet,
unverheiratet, verheiratet. Geschäftsmann, Goldschmied, Arbeitsloser.
Es gab keine Verbindung.
Es gab eine Verbindung – die schlichte Tatsache, daß es keine Verbindung gab.
Ein Mörder, der ohne jedes Muster vorging, ohne Sinn und Verstand, spät am Nachmittag, früh am Morgen, mitten in der Nacht,
drückte den Abzug und nahm ein Leben. Wie suchte er sich seine Opfer? Ene-mene-muh … Oder sah er jemanden auf der Straße und
folgte ihm nach Hause, weil ihm sein Gesicht oder seine Klamotten nicht gefielen?
Das hatte es schon gegeben. Die Medien drehten durch, die Leute wollten darüber lesen. Es erweckte eine Urangst: Tod ohne
jeden Grund. Das schrecklichste aller Schicksale. Und die Polizei war machtlos, denn es gab kein Muster. Der Kraftstoff der
Verbrechensbekämpfung war das Muster, das sie herausfinden mußten, ein immer wiederkehrender
modus operandi
, ein nachvollziehbares Motiv. Sex zum Beispiel. Oder Geldgier. Aber wenn es kein erkennbares Muster gab, wenn die Oktanzahl
zu niedrig war, dann blieb das große Ermittlungsgefährt stotternd stehen. Der Tank war leer. Es war schwer, den Motor wieder
anzulassen.
Und wenn der Fahrer dann auch noch Captain Mat Joubert hieß …
Er brauchte bloß eine kleine Spur, die nicht wie Nebel in der Morgensonne verschwand, wenn man sie genau betrachtete. Nur
eine. Eine kleine.
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|204| 22
Der Nachrichtenredakteur des
Weekend Argus
blätterte durch die Samstagsausgabe. Er suchte nach Geschichten, die er am Sonntag weiterdrehen konnte – Nachrichten, aus
denen man noch nicht das letzte bißchen Blut herausgequetscht hatte. Dann konnte er seine Reporter anweisen, genau das zu
tun.
Er blätterte von hinten nach vorne, vorbei an dem Artikel auf Seite sechs mit der kleinen Überschrift FRAU IN SEA POINT STÜRZT
IN DEN TOD
.
Er las den Text nicht, weil er schon wußte, was darin stand. Er selbst hatte den Bericht des neuen Reporters freigegeben.
Eine 32jährige Sekretärin aus Sea Point, Ms. Carina Oberholzer, erlitt tödliche Verletzungen, als sie aus ihrer Wohnung im
dreizehnten Stock in der Yates Road stürzte.
Ms. Oberholzer, Angestellte bei Petrogas in Rondebosch, befand sich allein in ihrer Wohnung.
Nach Angaben eines Polizeisprechers wird nicht von einem Verbrechen ausgegangen. »Wir halten es für einen tragischen Unfall.«
Der Nachrichtenredakteur blätterte auf Seite zwei, wo
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