Der Traurige Polizist
alle sagen? Über die Frau in der Bank? Wie tapfer sie war? Sie sei eine Heldin. Aber das stimmt nicht.
Ich glaube, sie hatte Angst, und der Bankräuber hat sich erschrocken. Der Mauser-Mörder hätte keine Angst gehabt. Er hätte
geschossen. Das ist nicht derselbe Täter. Um jemanden |223| aus nächster Nähe mit einer großen Pistole zu erschießen, bedarf es … da muß etwas fehlen. Manche Leute sind Räuber
und
Mörder. Aber dieser Räuber ist anders. Er ist ein Clown. Die Verkleidungen, der ›Süße‹-Blödsinn. Ich kann das einfach nicht
glauben.«
»Werden Sie mit Kriminologen sprechen?«
Er war viel zu beschäftigt mit seiner Argumentation, um zu begreifen, was sie gesagt hatte.
»Den sie zitiert haben? Der gesagt hat, die Taten von Massenmördern sind Proteste gegen die Gesellschaft? Dr. Boshoff, glaube
ich.«
Er zuckte mit den Schultern. Er hatte nicht darüber nachgedacht.
»Glauben Sie nicht, daß es Ihnen helfen würde, mehr über die Psyche des Mörders zu erfahren?«
Wie konnte er ihr erklären, daß die Betrachtungen, die er für seine Beförderung zum Sergeant, zum Lieutenant und Captain geschrieben
hatte, nichts über die Psyche enthielten. Er wußte nur, wie man Fragen stellte, wie man nach Zahlen im Spinnennetz der tausend
Gesetzesregelungen suchte, wie man sie addierte, bis die Summe einen Sinn ergab. Bis die Bücher stimmten und man nach einem
Durchsuchungsbefehl verlangte und dann mit dem Gesicht eines Henkers an irgendeine Tür hämmerte.
»Ich weiß nicht. Das ist Ihr Bereich.«
»Es kann nicht schaden. Sie haben alle möglichen Daten und Forschungsergebnisse. Das bringen sie Studenten bei. Es wäre doch
nicht schlecht, wenn das einmal einen echten Nutzen hätte.«
»Vielleicht sollte ich das machen«, sagte er.
|224| Dieselbe Krankenschwester hatte Dienst. »Ich wollte fragen, wie es Sergeant Griessel geht«, sagte er vorsichtig und höflich.
Ihre Augen wirkten groß hinter der Brille. »Letzte Nacht hat er um Medikamente gebeten.« Es klang, als hätte sie ihm verziehen.
»Kann ich ihn sehen?«
»Er schläft. Er wird nicht bemerken, daß Sie hier sind.«
Er glaubte ihr. Er bedankte sich und wandte sich ab. Dann hielt er inne. »Warum wollte er die Medikamente zuvor nicht nehmen?«
»Er hat gesagt, er habe sie nicht verdient.«
Joubert stand einfach nur da und sah sie an, während er versuchte, das zu verarbeiten.
»Sind Sie ein Verwandter?«
»Nein«, sagte er. »Nur ein … Freund.«
»Manchmal sind sie so. Sie kämpfen so lange dagegen. Der Alkohol. Sie glauben, beim nächsten Mal wird es leichter sein, sich
zu erinnern, wie schlimm es war, davon zu lassen.«
»Vielen Dank«, sagte er, ohne nachzudenken, und ging.
Er mußte die Bücher noch in sein Regal stellen. Und seine Schuhe. Er wollte sie putzen. Am Abend.
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|225| 24.
Er war an diesem Morgen nicht allein im Schwimmbecken. Im Business Club herrschte Hochbetrieb, vielleicht weil die Leute aus
den Ferien zurück waren.
Er schwamm verbissen.
Die verdammte Diät! Er hatte in der letzten Nacht ziemlichen Hunger gehabt. Lag das an seinem Gespräch mit Hanna Nortier,
oder war es die körperliche Anstrengung mit dem Bücherregal, die sein Hungergefühl verstärkt hatte? Aber er würde keine Kalorienbomben
essen, selbst wenn er sich nach Pommes frites, nach gebratenen Eiern und einem Schinkensandwich sehnte, er würde abnehmen
und es Bart de Wit, seinem Doktor und der Psychologin zeigen …
Also rauchte er – als würde sein Magen die Nahrung durch die Lungen aufnehmen. Letzte Nacht hatte er die Special Milds ohne
jede Befriedigung geraucht, eine nach der anderen, bis sein Mund trocken war und er einen widerwärtigen Geschmack verspürte,
während er über die seltsame Beziehung zwischen dem Polizisten und der Psychologin nachdachte und sich fragte, ob er dabei
war, sich zu verlieben. Plötzlich bist du ein sexueller Wirbelwind, was, Mat Joubert? Mit einem jungen geilen Ding noch nicht
fertig und schon mit der nächsten beschäftigt. Don Juan Joubert! Was ist mit deinem Kummer und Schmerz passiert? Denkst du
wirklich, du kannst Lara Joubert entfliehen?
|226| Er hatte über sich selbst gespottet. Ein Teil seines Gehirns beobachtete ihn, sah zu, wie sein Leben ablief, kommentierte
und lachte über den Besitzer eines Videogerätes und einem Haufen Kassetten. Laß uns eine Kassette einlegen, Mat Joubert. Siehst
du, da ist deine Frau Lara, da an der Frisierkommode,
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