Der Traurige Polizist
Polizeiwache |232| an dem Gartentor postiert. Sie hatten Befehl, nur den Pathologen und sein Team an den Tatort zu lassen.
Sergeant Tony O’Grady hatte Joubert und Snyman auf dem Parkplatz aufgelauert, bevor sie losfuhren. »Kann ich mitkommen? Die
Sache fasziniert mich. Captain Vos sagt, es wäre in Ordnung.«
Nun schauten sie sich zu dritt die Leiche an. Sie konnten nicht zu nahe herangehen, denn der Tote lag in einer großen Blutlache.
Trotzdem konnten sie erkennen, daß Alexander MacDonald ein großer Mann mit dünnen, roten Haaren, einem roten Bart und riesigen
Händen und Füßen gewesen war. In seinen letzten Augenblicken hatte er nichts anderes als Shorts getragen. Selbst im Tod war
der Umfang seiner Brust und seiner Oberarme noch beeindruckend.
Sie konnten außerdem erkennen, daß der Mord an Alexander MacDonald sich ein wenig von den anderen Morden unterschied.
Ein Schuß hatte ihn in den Hals getroffen. Blut war auf die Wand, einige Möbel und auf den Boden gespritzt.
Der andere Schuß hatte ihn im Unterleib erwischt.
Sergeant Tony O’Grady kaute mit vollem Mund. Daher kam auch sein Spitzname: »Nougat«. Er ging langsam um die Blutlache herum
und sagte: »Das ist neu, Captain, wirklich neu.«
Joubert erwiderte nichts. Er besah sich den Raum und die Art und Weise, wie der Tote dalag.
»Sieht nicht wie ein Zufall aus – der Schuß in die Eier.« O’Grady biß ein Stück Nougat ab. »Ich frage mich, welcher Schuß
zuerst traf. Muß verdammt weh tun.«
»Sieht aus, als wäre er an der Tür erschossen worden. Zuerst in den Hals. Seht euch das Blut an der Wand an! Das Blut |233| an der Halsschlagader spritzt so heraus. Dann stürzte er zu Boden, und der Täter verpaßte ihm den zweiten Schuß.«
»Genau auf den Schwanz, der arme Kerl.«
Ein uniformierter Constable rief etwas von der schmalen vorderen Veranda. Joubert spähte durch die Tür. »Hier sind eine Menge
Leute von der Mordkommission, die Sie suchen, Captain«, sagte er und deutete zur Straße. Acht Autos parkten plötzlich da.
Die Polizisten standen aufgereiht am Gartentor, wie ein Rugbyteam, das sich für ein Gruppenfoto postiert hatte. Joubert ging
zu ihnen.
Lieutenant Leon Petersen, der einzige Farbige der Gruppe, ergriff das Wort.
»Der Colonel hat uns geschickt, Captain. Um zu helfen. Der District Commissioner hat den Brigadier angerufen, und der Brigadier
hat dann ihn angerufen. Sie sind plötzlich hellwach, was diese …« Er deutete zum Haus. »… Sache angeht. Er hat gesagt, der
Captain benötige mehr Leute, der Brigadier müsse Polizisten von allen Revieren abziehen, besonders für die Basisarbeit. Wir
sind hier, um Ihnen zu helfen.«
»Danke, Leon.«
Er wußte, daß es an der Presse lag. Der Druck auf jeden erhöhte sich – vom unbedeutenden Captain bis zum General. Karrieren
waren in Gefahr. Der Geruch von Blut ließ die Presse schier verrückt spielen.
Er erklärte den Polizisten, daß er niemanden im Haus haben wolle, nicht bevor die Spurensicherung eingetroffen war. Er schickte
sie paarweise die Straße hinunter. Vielleicht hatten die Nachbarn etwas gesehen. Möglicherweise wußten sie auch etwas über
den Toten.
Die Videoeinheit traf als nächste ein. Joubert bat sie zu warten, und sie begannen sich sogleich zu beklagen. Er winkte |234| einen uniformierten Sergeant heran. »Wo ist die Frau, die den Toten gefunden hat?«
»Sie sitzt hinten im Polizeiwagen, Captain«, erwiderte der Sergeant.
»Hinten im Polizeiwagen?«
»Nur um sicherzugehen, Captain«, sagte der Sergeant, weil er wußte, daß Joubert das nicht gefiel.
»Bringen Sie die Frau bitte her!«
Sie war schwarz, groß und korpulent. Aus Ärger über die Behandlung durch die Polizei hatte sie den Mund zusammengepreßt. Joubert
hielt ihr das Gartentor auf.
»Ich möchte mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen«, sagte er auf afrikaans.
»Ich spreche nur Englisch.«
Er wiederholte seinen Satz.
Sie zuckte mit den Schultern.
Er ging mit ihr um das Haus bis zur Hintertür. Auf der
stoep
standen eine alte Couch und zwei alte Metall- und Plastikstühle. »Bitte setzen Sie sich«, sagte er, dann rief er Snyman und
O’Grady. In ihrer Gegenwart fragte er die Frau nach ihrem Namen.
»Ich habe es nicht getan.«
Er erklärte, das wisse er, doch sie müsse ihnen ihren Namen für ihre Zeugenaussage geben.
Miriam Ngobeni, sagte sie.
Ihre Adresse?
Eine ungenehmigte Siedlung hier am Karbonkelberg.
Was genau war an
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