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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Persönlichkeit
     bewußt. Er fragte sich, ob das der Preis war, den sie für ihr Wissen zahlen mußte. Jeder Gedanke wurde an den Absätzen in
     einem Textbuch gemessen.
    »Ich leihe Ihnen eine CD des
Barbier
. Wenn Sie sich das anhören und sich an die Musik gewöhnen, dann können Sie auch länger aushalten.«
    »Ich habe keinen CD-Spieler.« Lara hatte die Musikanlage, die in seinem Wohnzimmer stand, von ihrem Polizistengehalt gekauft.
     Es war keine Markenware, sondern ein Sonderangebot im Lewis Store gewesen, aber sie war gut genug für Laras Abba-Platten.
     Manchmal drehte sie die Musik sehr laut auf und tanzte allein im dunklen Zimmer, während er in seinem Sessel saß und sie beobachtete,
     und er wußte, wenn sie zu Ende getanzt hatte …
    Er hatte sich gefragt, ob die Nachbarn sich nicht über die laute Musik beschweren würden, aber er konnte es auch kaum erwarten,
     die Kraft in ihrem Körper zu sehen, die sie aus der Musik absorbierte, die sie dann an ihm abarbeitete. Später, nach ihrem
     Tod, hatte er an diese Augenblicke gedacht, wenn sie ihn, erfüllt vom Rhythmus der Musik, in ihrem Doppelbett ritt. War der
     Mann in ihrem Kopf und der zwischen ihren Schenkeln dieselbe Person? Oder lebte sie mit seiner Hilfe nur eine Phantasie aus,
     das schwarze Haar mit den braunen Strähnen im Gesicht, die Augen geschlossen, ihre Brüste schimmerten vor Liebesschweiß, ihre
     Hüften wogten wie die See, auf und ab, bis dunkle Geräusche den Augenblick des |221| Orgasmus markierten, rhythmisch, rhythmisch, schneller, schneller, und sie keuchte und kam, sie bemerkte gar nicht, daß er
     seinen Höhepunkt schon erreicht hatte und daß er sie voller Liebe anstarrte, voller Dankbarkeit für sein Glück, daß er jeden
     Millimeter ihres unglaublich zarten Körpers in seinen Geist einbrannte.
    Hanna Nortier hatte etwas gesagt, was er nicht gehört hatte, und er errötete, als er bemerkte, woran er gedacht hatte.
    Sie bemerkte, daß er sie nicht gehört hatte. »Ich mache Ihnen eine Kassette. Sie haben doch einen Kassettenrecorder?«
    »Ja«, sagte er.
    »Und einen Fernseher.« Das war keine Frage.
    »Nein.« Er würde ihr nicht erzählen, daß er seinen Fernseher seiner Putzfrau gegeben hatte, weil er Nacht für Nacht davor
     saß wie ein Zombie, während eine amerikanische Serienfolge nach der anderen über den Bildschirm flimmerte und jede blöde Geschichte
     auf jedem blöden Sender mit ihrer eigenen blöden Moral nur eine Wiederholung seines eigenen blöden Lebens gewesen war.
    »Dann haben Sie sich auch nicht Freitagabend im Fernsehen gesehen?«
    »Nein.«
    Er wollte nicht, daß ihr Treffen sich in eine Therapiestunde verwandelte. Er und eine hübsche Frau in einem Restaurant. Das
     war so anders als letzte Nacht. Er wollte den Schein wahren. Was andere Leute sahen, war ein Paar.
    »Die Medien tun richtig was für ihr Geld«, sagte sie, und ihm wurde klar, daß sie ebenfalls ihren beruflichen Bereich zu meiden
     versuchte.
    »Ja. Sieht aus, als gäbe es wenig andere Neuigkeiten.«
    »Haben Sie den
Burger
von gestern gesehen?« Er dachte, |222| daß sie ganz verzweifelt sein müsse – weil der Mann weder einen CD-Spieler noch einen Fernseher hatte.
    »Gestern, ja.«
    »Glauben Sie, es ist derselbe Täter? Der Mörder und der Bankräuber?«
    Er atmete tief durch, er wollte ihr am liebsten die Tür vor der Nase zuschlagen, wollte ihr eine barsche Antwort geben, er
     fürchtete sich, seine Intuition nicht ausreichend begründen zu können, sich vor dieser kleinen, hübschen Frau zum Narren zu
     machen.
    »Ich bezweifle es«, sagte er und begann dann langsam und vorsichtig zu erzählen. Er erzählte ihr von den Morden, einem nach
     dem anderen, von den Verdächtigen, den Vermutungen und den Sackgassen. Er vergaß sich ganz und gar, als er ihr von Mustern
     und kriminellem Verhalten und seinen früheren Erfahrungen erzählte. Sein Monolog wurde ein Beweis seiner Selbst, ein Plädoyer
     der Verteidigung, daß er immer noch seines Berufes würdig war. Daß er immer noch eine Daseinsberechtigung hatte.
    Sie stellte Fragen, sie forderte ihn vorsichtig heraus, sie überprüfte die Haltbarkeit seiner Argumentation mit schlanken
     Fingern. Er schaute ihr die ganze Zeit ins Gesicht, er betrachtete die Wangenknochen, die so zerbrechlich unter der blassen
     Haut schimmerten, die Augen, die Augenbrauen, die dazu geschaffen sein schienen, gerunzelt zu werden, die Form ihres Kiefers,
     unglaublich perfekt.
    »Haben Sie gelesen, was

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