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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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diesem Morgen passiert?
    Sie war wie gewöhnlich um halb acht zur Arbeit gekommen, aber die Tür war offen, und ihr Chef lag da in einer Blutlache. Sie
     hatte Angst bekommen und war zum Nachbarn gelaufen.
    |235| Hatte sie irgend jemanden gesehen? Jemanden, der sich verdächtig gemacht hatte?
    Nein. Könnte sie nun gehen?
    Wenn sie noch eine weitere Frage beantworten würde.
    Laut der örtlichen Polizei lautete der Name des Mannes MacDonald. Kannte sie seinen Vornamen?
    Mac.
    Wußte sie, wo er im Haus seine persönlichen Dokumente wie etwa seinen Paß aufbewahrte?
    Nein. Nicht im Haus. Wahrscheinlich auf dem Boot.
    Auf dem Boot?
    Auf einem der beiden Fischerboote, die im Hafen lagen. MacDonalds Fischerboote. Sie hatte sie nie gesehen, aber jeden Tag
     mußte sie eigenhändig den Fischgeruch aus seinen Kleidern waschen, weil er keine Waschmaschine besaß. Man konnte die Sachen
     nicht einen Tag im Wäschekorb lassen. Der Geruch …
    Lebte MacDonald allein?
    Sie glaubte schon. Manchmal entdeckte sie Montag morgens die Anzeichen für eine große Party: leere Flaschen, Zigarettenkippen,
     Schnapsflecken, Brandlöcher auf dem Teppich und die Stühle und die Teppiche am falschen Platz … Manchmal war auch das Bett
     im Schlafzimmer … Aber abgesehen davon wußte sie nichts von einer Frau bei ihrem Chef. Sie sah ihn ohnehin selten. Oft lediglich
     am Samstag, wenn sie sich ihr Geld holte. Und da wartete sie immer an der Tür.
    Was war er für ein Mann?
    Er war weiß.
    Was meinte sie damit?
    Er war schwierig, bedrohte sie immer und beklagte sich, daß er ihr zuviel zahlte, daß sie seinen Schnaps und ihm das Kleingeld
     aus seinen Taschen stahl.
    |236| Also hatte sie ihn nicht gemocht?
    Nicht besonders, aber so waren die Weißen nun einmal.
    Vielen Dank für ihre Bereitschaft, unsere Fragen zu beantworten. Konnte jemand sie ein wenig später nach Hause fahren?
    Nein, bitte nicht.
    Joubert erklärte der Frau, wie sie das Haus durchsuchen würden. Er bat sie, solange zu bleiben, bis die Durchsuchung abgeschlossen
     war. Er sagte, sie müsse sich das Haus ansehen, ob etwas fehle.
    Müsse sie wieder hinten im Polizeiwagen sitzen?
    Nein. Sie konnte auf der
stoep
bleiben, wenn sie wollte.
    Sie nickte.
    Joubert und die Frau gingen zum Vordereingang. Die Presse war eingetroffen. Eine richtige Meute. Auf einen flüchtigen Blick
     zählte er zehn Reporter und Fotografen. Blitzlicht flammte auf. »Gibt es einen Verdächtigen?« rief jemand. Sie eilten zum
     Tor. Da hielten die Constables sie auf.
    »Die Spurensicherung ist drinnen«, sagte der Polizist am Tor.
    »Danke. Sagen Sie dem Sergeant, er soll bitte die Presse fernhalten.«
    Joubert schickte Snyman und O’Grady zum Hafen, damit sie sich die Boote ansahen und mit den Fischern redeten. Dann ging er
     ins Haus und sagte der Spurensicherung, daß sie alle Räume und auch das Grundstück untersuchen sollten. Sie beklagten sich,
     und er erwiderte, sie müßten sich beeilen, weil er niemanden in dieses Gebiet lassen würde, bevor sie ihre Arbeit nicht beendet
     hatten. Daraufhin beklagten sie sich noch lauter.
    Er stand am Fenster und blickte hinaus. Die Leute an einem |237| Tatort, dachte er, es war immer dasselbe, egal wo. Eine Gruppe von Neugierigen, begierig Details zu erfahren, die hinter vorgehaltener
     Hand miteinander flüsterten, als würden sie denken, sie könnten den Toten aufwecken. Die gelben Polizeiwagen mit den blauen
     Lichtern. Die roten und weißen Lichter der Ambulanz. Manchmal, wenn es besonders aufregend war, die Presse … eine laute, sich
     hin und her schiebende Meute, fast wie auf einem Börsenparkett. Gelegentlich die Angehörigen, ein paar Menschen, die sich
     stumm aneinander klammerten und hofften, der bitteren Nachricht entgehen zu können.
    Er sah, wie sich der Pathologe einen Weg durch die Menschen bahnte und am Tor seinen Ausweis zeigte. Dann ging er über den
     ramponierten Rasen und betrat das Haus.
    Er pfiff vor sich hin, schließlich bemerkte er Joubert.
    »Schöne Scheiße«, sagte Professor Pagel. Er betrachtete die zweite Wunde im Unterleib des Toten. »Und eine neue Wendung, wie
     ich sehe.«
    »Ja«, sagte Joubert und seufzte. »Eine neue Wendung.«
    Draußen waren der Fotograf und die Spürhunde angekommen. Sie mußten noch warten, auch wenn ihnen das nicht gefallen würde.
    Joubert steckte sich eine Zigarette an und ging hinaus. Sein Funkgerät an seinem Gürtel sprang plötzlich an. De Wit wollte
     ihn dringend sprechen, und er wußte

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