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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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seit Liubas Weggang oft zur Schwemme geritten. Noch besser kannte es allerdings die Stimme seines Herrn, den scharfen Pfiff, mit dessen Folgen Cinna bereits unangenehme Bekanntschaft gemacht hatte, obwohl ihm diese Vorsichtsmaßnahme überflüssig erschien. Der Weg zum Rhenus war weit, und überall lauerten Barbaren – wohin hätte er fliehen sollen?
    Als sie am Abend im Schutz eines Feuers lagerten, verfluchte Cinna diesen Tag. Alle Glieder waren mürb vom ungewohnten Reiten. Saldir brachte ihm etwas zu essen, das er zur Hälfte hinunterzwang, ehe er sich im Schutz des Wagens in eine Decke einrollte, während Saldirs Tuscheln und Kichern durch die Planken herüberperlte.
    Sie reisten gen Norden und Nordosten, ein Umstand, der Cinna umso mehr verbitterte, als es ihn noch tiefer in die Germania führte, noch weiter weg vom römischen Imperium. Durch den schwerfälligen Wagen und gelegentliche Regenfälle aufgehalten, folgten sie während der nahezu zwei Tage dauernden Reise einem Fluss, in den der kleinere, zu Inguiotars Land gehörende, mündete. Der Weg führte sie an der Aue entlang, senkte sich manchmal in den Talgrund, wo der morastige Boden durch Bohlen begehbar und befahrbar gemacht worden war, und wand sich an den Hängen durch Wälder, die sich nur selten lichteten. Zwei Siedlungen passierten sie, ohne sich lange aufzuhalten. Einige Menschen hatten sie winkend begrüßt und waren neben ihnen hergelaufen, um Neuigkeiten auszutauschen. Bei Cinnas Anblick rissen sie die Arme hoch und machten Gesten, die Abwehr oder Fluch sein mochten, sicherlich nichts Freundliches, wie er unschwer in den Mienen lesen konnte. Kinder rissen Grasbüschel aus dem schweren Boden, wollten sie nach ihm werfen, doch Ahtala drängte sie wortlos mit seinem Pferd ab und hielt sich dicht neben Cinna, bis sie die Neugierigen hinter sich gelassen hatten.
    Die Höhenzüge wichen auseinander, der Wald lichtete sich, und zottige, braune Kühe weideten zwischen Eichen und Buchen. Vor ihnen erstreckte sich ein Tal, wälzte sich ein träger, brauner Strom über Sand und Kies. Pferdewiehern, Hundegebell und das Brüllen junger Rinder hallte herüber, unterbrochen von Rufen. Schon bei den ersten Tönen war Thauris aufgesprungen, um Ausschau zu halten. Hraban stieß dem Rappen die Fersen in die Flanken, dass dieser erschrocken davonsetzte, verfolgt von dem jauchzenden Inguiomers und den übrigen jungen Männern. In wilden Sprüngen ließen die Pferde das Wasser aufspritzen, wurden langsamer, je tiefer sie eintauchten. Weit draußen in der Flussmitte wiegten sich ihre Köpfe sanft in den Wellen, bis sie wieder Boden gewonnen hatten und sich zum jenseitigen Ufer pflügten. Eine Furt. Im gestreckten Galopp preschten die Reiter den Hang hinauf und verschwanden zwischen den Bäumen. Nur Inguiotar, Ahtala und einige weitere Krieger blieben beim Wagen zurück, letztere nicht ohne Murren.
    Flussaufwärts setzten mehrere große Flöße über, welche die Strömung bis zur Furt abtrieb. Jetzt, im Frühjahr, stand das Wasser hoch, aber zu anderen Zeiten war es sicher möglich, den Fluss ohne Fähre zu durchqueren. Die Fährmänner sprangen heraus, bevor sie das Ufer erreichten, zogen die Fahrzeuge auf den knirschenden Kies und begrüßten die Neuankömmlinge ehrerbietig. Indessen hatte der Kutscher den Wagen bis dicht ans Wasser gelenkt, so dass die Männer nun mühelos das Gepäck sowie die Herrin und ihre Tochter in die Boote tragen konnten; der Wagen würde unter Bewachung zurückbleiben.
    Nachdem sie übergesetzt worden waren, näherten sie sich einem Dorf, nein, einer Stadt aus Zelten und Wagen, die sich im lichten Wald verlor. Ganze Stämme schienen sich versammelt zu haben, vor allem Männer, aber auch Frauen, Kinder und Greise, die sich kaum aus den Schatten der Bäume herausbewegten, während die Jüngeren die Ankömmlinge rasch umringten. Inguiotar nickte nach allen Seiten und sonnte sich in der ebenso unverhohlenen wie unterwürfigen Neugier der Menschen.
    Cinna hingegen wurde begafft wie ein seltenes Tier. Beschimpfungen drangen an seine Ohren, irgendjemand trällerte eines der sattsam bekannten Spottlieder, die Soldaten hinter dem Rücken ihrer Vorgesetzten zum Besten gaben. Vermutlich hatten sie solches in den Lagern gelernt, in denen die waffenfähigen Männer der Cherusker ebenso wie die anderer Stämme als Hilfstruppen gedient und das Soldatenhandwerk gelernt hatten.
    Cinna verbat sich, den Gedanken weiterzuspinnen. Ein einzelner Mann schritt

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