Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
dennoch sonderbar lebendig wirkte, als spiegele sich darin die Zuneigung des Kindes. Er zog die Brauen zusammen und stierte sie an, da legte sie – ruckartig wie ein Vogel – den Kopf ein wenig schräg, stieß die Zunge zwischen den Zähnen hervor und sprang davon.
     
    Nachdem einige Tage später der Verband von seinem Oberschenkel entfernt und die Wundränder gesäubert worden waren, deckte die Alte die Haut rings um die Naht mit einem sauberen Tuch ab. Ohne jede Vorwarnung bohrte sie eine schmale Klinge unter einen der Fäden, um ihn mit raschem Schnitt zu durchtrennen. Erstaunt beobachtete er, wie schnell die langen Dornen entfernt waren, und wie wenig schmerzhaft. Bis auf ein leichtes Kneifen spürte er nichts.
    »Wir wollen sehen, ob du aufstehen kannst«, sagte das Mädchen, das seine Sprache beherrschte, nachdem die Alte die Hütte verlassen hatte. Es war eine Ankündigung, die zwiespältige Gefühle weckte und Herzklopfen. Cinna stemmte sich auf die Unterarme und schob die Beine über die Kante des harten Lagers, als ein hauchzarter schwarzer Schleier über ihn sank und eine kalte Faust seinen Magen packte. Jede weitere Bewegung wollte gut überlegt sein. Eine Zeitlang kauerte er zwischen Stroh und Decken, um sich zu sammeln, ehe er den Kopf hob.
    »Mutter sagt, dass du weniger Schmutz und Sorgen machst als unsere gesunden Männer«, sagte sie.
    »Wie tröstlich«, murmelte er, während er die Fingerspitzen an die Schläfen presste, um des Schwindels Herr zu werden.
    »Hier, nimm das.« Das Mädchen reichte ihm ein Bündel aus zwei unterschiedlich gefärbten Lagen Tuch, sauber zusammengelegt. »Wir können dich nicht ewig verhätscheln wie einen Säugling.«
    Argwöhnisch entfaltete Cinna den Stoff. Vor sich hielt er einen kurzen Kittel aus ungebleichter Wolle, wie ihn die Barbaren über ihren Hosen trugen; zweifellos handelte es sich bei dem dunkleren Stück, das noch auf seinen Knien lag, um eine solche. Naserümpfend ließ er den Kittel fallen.
    »Willst du lieber in einem Kleidchen gehen?«
    »Ich werde mich nicht so weit erniedrigen, mich in dergleichen«, er deutete auf das barbarische Beinkleid, »sehen zu lassen.«
    Sie gluckste vor Heiterkeit, während sie hinter ihrem Rücken ein weißes Kleidungsstück hervorzog, das er am Purpursaum erleichtert als seinen eigenen Waffenrock erkannte. Ein langer Riss an der Schulter war sorgfältig geflickt worden, an den Rändern der Naht und am Halssaum fanden sich rostfarbene Spuren eingetrockneten Blutes, die sie offenbar nicht hatten ausbleichen können.
    Nachdem sie ihm ausreichend Zeit gelassen hatte, aus dem verschwitzten Kittel zu schlüpfen und den sauberen Waffenrock über den Kopf zu ziehen, kehrte sie zurück, gefolgt von dem jungen Barbaren mit dem sonderbaren Haarknoten. Wie sie so nebeneinander standen, bemerkte Cinna die Ähnlichkeit ihrer hellen, mandelförmigen Augen. Zweifellos waren sie Geschwister, vielleicht sogar Zwillinge, auch wenn der Bruder größer und erheblich kräftiger war.
    »Du musst uns nachsehen, dass wir erst jetzt nach deinem Namen fragen«, sagte das Mädchen. »Wir waren nicht sicher, ob du überleben würdest. Aber da du jetzt mit der Hilfe der Götter auf dem Wege der Besserung bist, würde es uns weiterhelfen, zu wissen, mit wem wir es zu tun haben.«
    Verwundert nahm Cinna die Grübchen in ihrem hübschen Gesicht wahr und reckte das Kinn in die Luft. »Ich sage gar nichts!«
    Die beiden Geschwister wechselten einen Blick, und der schelmische Zug vertiefte sich in der Miene des Mädchens.
    »Und was war deine Aufgabe, Ichsagegarnichts?«
    Er stutzte, schloss den Mund, ohne ihr die herrische Erwiderung entgegenzuschleudern, die er sich bereitgelegt hatte, und schüttelte in leiser Anerkennung den Kopf. Dann wies er auf den breiten Purpurstreifen, der sich senkrecht vom Halssaum seines Waffenrocks herabzog.
    »Siehst du das? Weißt du, was das bedeutet?« Und als sie ihn nur erwartungsvoll ansah, fuhr er fort: »Nur die Abkömmlinge senatorischer Familien dürfen diesen Purpur tragen.«
    »Ein Legionstribun also«, folgerte sie schnippisch. »Wenigstens bedeutet es, dass du lesen und schreiben kannst, vielleicht sogar ein bisschen rechnen –«
    »Was soll das?«
    »Wir möchten wissen, wozu man dich gebrauchen kann, Ichsagegarnichts.«
    »Ihr tätet besser daran, mich schleunigst zu Quinctilius Varus zu bringen.«
    »Bei diesem Wetter sind Reisen nicht anzuraten. Im Haus des Inguiotar bist du in Sicherheit.«
    »Im Haus

Weitere Kostenlose Bücher