Der Tribun
zogen.
Cinna fühlte, wie sich eine Hand auf seinen Rücken legte und ihn ruhig zur Seite schob. Er erkannte den alten Graugewandeten neben sich, und hinter ihm, einige Schritte entfernt, erblickte er Arminius, dessen Gewalt er just entrissen war. Die Züge des Verräters zeigten nicht den geringsten Groll; wohlwollend lächelte er, trug jene einnehmende Miene zur Schau, in deren verborgenem Netz sich auch der Legat verfangen hatte, der nach Jahren auf dem Forum, in der Verwaltung der Provinzen Syria und Iudaea niemandem mehr Glauben geschenkt hatte, bis er diesem Mann begegnete.
Als die Reihe der Männer in Bewegung geriet und die Sicht freigab auf den Krieger, mit dem Arminius einvernehmliche Blicke und zustimmende Gesten wechselte, rieselte der Schrecken Cinna ins Genick. Es war ein wenig beeindruckender, zur Fettleibigkeit neigender Mann. Sunjas Verehrer.
XVII
Feuerschein drang durch das Dickicht am anderen Ufer, beleuchtete das Blattwerk und ließ es geisterhaft flimmern. Cinna zupfte die Decke zurecht, auf der er saß, während seine Gedanken fahrig um den armen Trebius kreisten. Als Inguiotars Leute ihn zu Pferd über den Fluss gebracht hatten, bald nachdem Hrabans Sieg verkündet worden war und der alte Priester seine Fesseln gelöst hatte, hatte er die alten Weiber, die ihn an diesem Morgen gebadet hatten, nun seinen Schicksalsgenossen ähnlich hingebungsvoll waschen gesehen. Trebius’ Haut schien grau, er umarmte sich selbst und starrte Cinna stumm an, ein Blick, den Cinna unverwandt erwiderte, selbst als er die schiffbare Flussmitte querte, als er sich auf dem Pferderücken umwenden musste, um den zum Tode Verurteilten nicht aus den Augen zu verlieren. Am anderen Ufer angelangt, zügelte er das triefende Pferd, das unter ihm tänzelte, hob die Hand zum Abschied – da brach ein Schrei aus Trebius’ Brust: »Gedenke meiner Manen, Tribun! Lass mich nicht vergessen sein!«
Cinna sammelte flache Kiesel und ließ sie über die träge dahinfließenden Wasser hüpfen, um die Gedanken an diese Bitte, den Totengeistern dieses armen Kerls einen Gedenkstein zu errichten und ihnen die schuldigen Opfer zu bringen, zu vertreiben. Hinter ihm hatten sie das Feuer geschürt, kochten Grütze, brieten Fleisch über der Glut und plauderten mit gedämpften Stimmen, während die Becher kreisten. Zehn seiner Männer hatte Inguiotar zu sich gerufen, sie Ahtalas Befehl unterstellt und Cinna ihnen anvertraut. Am jenseitigen Ufer, beim zurückgelassenen Wagen, sollten sie warten, bis Inguiotar und seine Familie mit dem Rest des Gefolges eintreffen würden.
Ein Schatten fiel neben Cinna auf den Uferkies, sich umdrehend erkannte er Ahtala, der mit einem Napf und einem Becher hinter ihm stand und Anstalten machte, sich niederzulassen. Cinna rückte ein Stück beiseite, bot Ahtala einen Platz auf der Decke an, doch als Ahtala ihm den Napf mit Grütze und Fleisch reichen wollte, lehnte Cinna stumm ab. Achselzuckend griff Ahtala nach dem Löffel und widmete sich dem Abendessen, das Cinna zugedacht war.
»Du bist nicht … drüben?«, fragte Cinna vorsichtig.
Ahtala legte den Kopf leicht schräg. »Nein, ich gehöre heute nicht dorthin.«
»Du verehrst dieselben Götter – du bist einer von ihnen.«
»Nein«, erwiderte Ahtala mit mahlenden Kiefern, »ich bin zwar ein Krieger, aber ich huldige Wodanas nicht auf diese Weise. Ich habe ihm den Kopf eines Mannes geweiht, den ich im Kampf getötet hatte – kein hilfloses Schlachtvieh wie diesen armseligen Kerl.«
Cinna starrte ihn an. »Du?«
Ahtalas Augen, grau und sanft wie die Saldirs, richteten sich auf ihn, die geschwungenen Lippen umspielte ein feines Lächeln. Es war nichts Hartes, Grausames an ihm, und dennoch hatte er einen Mann erschlagen, der Leiche den Kopf abgeschnitten und die bluttriefende Trophäe zum Altar dieses Gottes geschleppt, dessen Macht sich im wahnsinnigen Schlachtengewühl entfesselte.
»Mein Vater war ein harter, erbarmungsloser Krieger«, begann Ahtala, »ein Wolfsbündler – bis mein kleiner Bruder starb. Er betrat das Haus, als Frowi kaum noch atmete, sein Herz kaum noch schlug, entriss das Kind den Armen unserer Mutter und trug es aus dem Haus, dem Licht der Sonne entgegen. Doch ohne dass er etwas unternehmen konnte, starb Frowi.« Ahtala wandte sich dem Wasser zu, während er die Lippen aufeinander presste, bis sie blass und schmal wurden. »Damals verließ er den Bund und nahm unsere Mutter zu seiner rechtmäßigen Frau. Er lernte die Zeichen
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