Der Tribun
Oberschenkel umspülte, kroch die Erkenntnis des bevorstehenden Todes in ihm empor, sträubte sein Nackenhaar, während er durch einen milchigen Schleier in die Sonne starrte, die über den Bergen aufblitzte. Mit jedem Wasserschwall, den die Weiber über ihn gossen, wurde der schmale Fleck breiter und wuchs zu einem gleißenden, rotierenden Rad, golden und rot und grün zuckende Scheiben und Sicheln umtanzten einander. Langsam öffnete er die Faust, und das feine Gespinst entglitt ihm, während er stumm Stoßgebet um Stoßgebet zum Himmel sandte und das kalte Wasser, das über sein Gesicht rann, seine Tränen verschlang.
Nichts vor Augen als flirrende, wirbelnde Flecken von Licht, folgte er dem Zug der Hand und erhob sich. Die Alten brachten ihn zum Ufer zurück, wo die vier ihn gemeinsam mit Hemd und Hose bekleideten und sein Haar kämmten; Schuhe erhielt er nicht. Als die Blendung nachließ, erkannte er, dass seine Kleidung vollkommen weiß war, nicht das schmutzige, verwaschene Weiß, das die alten Weiber trugen, die ihn zahnlos angrinsten; Gemurmel und Singsang waren verstummt. Sie führten ihn in ihrer Mitte am Ufer entlang, dann ein Stück den Hang hinauf zu der niedergetrampelten Wiese, auf der die Menschen zusammenströmten. Wieder war sein Platz auf der natürlichen Bühne, diesmal unter den Priestern.
Hinter der Erhebung erstreckte sich ein halbhoher Zaun um ein Waldstück, ein Zaun, der ihn an die kleinen Heiligtümer in der Umgebung von Inguiotars Burg erinnerte. Einer der Priester, ein hoch aufragender, hagerer Mann, hatte um seine Schultern einen Wolfsbalg gelegt und dessen Schädel über seinen Kopf gezogen wie ein römischer Feldzeichenträger.
Der Mann berührte Cinna mit seinem Stab an der Schulter, und sogleich wurden Cinnas Handgelenke mit einem dünnen Hanfstrick hinter dem Rücken gefesselt, mit einem weiteren die Füßen lose verbunden.
Gehorsam folgte Cinna den Priestern, an deren Knöcheln er ebenfalls dünne Schnüre bemerkte. Vorsichtig setzte er Fuß vor Fuß, um nicht zu straucheln, und konnte mit den Männern kaum Schritt halten, die trotz der Behinderung geschickt auf einen schmalen Pfad einschwenkten, auf dem sie in den Schatten des Waldes tauchten.
Dichtes Unterholz schloss sich um sie, die Zweige bestückt mit kleinen, harten Knospen und überschattet von Bäumen, durch deren unbelaubtes Astwerk das Sonnenlicht glitzerte. Der Weg war eine enge Schneise, der sie nur nacheinander folgen konnten, flankiert von Wildnis. Sie waren etwa hundert Schritte gegangen – was hätte Cinna sonst tun sollen, als seine Schritte auf dem von Wurzeln überwucherten Pfad zu zählen –, da öffnete sich das Gestrüpp zu beiden Seiten, und ein einzelner Baum erhob sich vor ihnen, eine gewaltige Esche, deren nacktes Astwerk beinahe die gesamte Lichtung einnahm. In der Krone schaukelten hölzerne Figuren mit dem Wind, manche von menschenähnlicher Gestalt, zwischen den unteren Ästen baumelten Schädel von Pferden und Hunden, Waffen und ramponierte Schilde. Ein Bündel langer, dünner Eisenspitzen ragte aus einer Astgabel, Pilen römischer Legionäre.
Während er noch staunte, hatte sich der Priester zu Boden geworfen, und einige der übrigen Männer taten es ihm gleich. Cinna gestattete sich einen vorsichtigen Blick in die Runde und beschloss, reglos abzuwarten, was geschah. Er sah einen Felsbrocken, der als Altar diente, wie die dunklen Spuren getrockneten Blutes zeigten. Ein menschlicher Schädel glotzte ihm entgegen, als hätte er hungrig die Zähne in den Stein geschlagen. Die Angst ballte eine kalte Faust in Cinnas Leib.
Ein durchdringender Ton dröhnte über die Lichtung, als einer der Männer in ein langes, gebogenes Instrument blies, geschmiedet aus stumpfer Bronze. Die Männer erhoben sich feierlich, einer der jüngeren trat vor, in den Händen einen dünnen, rot gefärbten Riemen.
Cinna schauderte bei dem Gedanken, sie könnten ihn zu Ehren eines ihrer grausamen Götter erhängen. Der Tod durch das Schwert wäre ihm annehmbar erschienen, aber qualvoll erstickt zu werden, wie er es bei der Hinrichtung eines Sklaven gesehen hatte, ohne Macht über die zuckenden Glieder, unter sich lassend wie ein verendendes Tier, die Augen verdreht und hervorquellend, den Mund aufsperrend im Ringen nach einem rettenden bisschen Atem, bis die Zunge herausgequetscht wurde – um Tapferkeit, um Standhaftigkeit hatte er gebetet, doch dies würde mehr erfordern, als Götter zu geben imstande waren. Er
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