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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Cherusker, Marser, Brukterer, Sugambrer, würden den in Vetera stationierten Legionen einen Hinterhalt bereiten und sie niederhauen, wie wir die dalmatischen und pannonischen Aufständischen niedergehauen hatten; wir würden in die gallischen Provinzen einfallen und uns holen, was uns zustehe: Land, Pferde, Sklaven und schimmerndes Gold.«
    Der Abendwind blähte Cinnas dünnen Umhang, schlich sich kalt unter seinen Kittel, so dass er nicht mehr wusste, ob ihn Ahtalas Erzählung frösteln ließ oder die Kälte. Der Fluss wälzte sich gurgelnd dahin, während die Böen in seinen Ohren rauschten. Oder das Blut.
    »Wir verehrten Ermanamers mehr als wir die römischen Legionen fürchteten«, fuhr Ahtala fort. »Wir waren überzeugt, sogar wenn er sich auf diesen Feind stürzte, würde er siegen. Wodanas, Teiwas und Thunaras hatten ihm immer beigestanden, und ihre Macht leuchtete aus seinen Augen, wenn er zu uns sprach und uns als Angehörige der Kriegerbünde Stillschweigen über alles bewahren hieß, uns nichts anmerken zu lassen, weiterhin den Dienst zu verrichten mit den todgeweihten Kameraden und Offizieren.« Er atmete hörbar durch. »Und so geschah es.«
    Dumpf dröhnte der Schall der sonderbaren Hörner über den Fluss, ein Ton, der das Blut in Cinnas Adern gerinnen ließ. Ahtala erbleichte, seine Miene versteinerte, jeder Ausdruck wich aus seinen Zügen, als verließe ihn das Leben. Viele tausend Stimmen brausten auf, das Krachen aufeinander trommelnder Waffen verschmolz zu einem Getöse, als stampfe ein Heer von Giganten durch die Wälder heran, fordere die Götter heraus, drohe, den Himmel umzustürzen. Cinna schauderte, ein eisiger Hauch hatte ihn gestreift. Die Totengeister des armen Trebius, seine Manen, griffen nach ihm. Tonlos murmelte er die Gebete, die er kannte, kaum die Lippen bewegend, und ein rascher Blick verriet ihm, dass Ahtala neben ihm dasselbe tat.
    *
    Liuba hatte sich von seiner besten Seite gezeigt, als er Eltern und Geschwister nach Hause begleitete, ein munterer, allzeit zu Scherzen aufgelegter Bursche, der seine kleine Schwester vor sich auf sein Schlachtross setzte und sie sicher hielt, während er den Rotschimmel rennen ließ, dass sie jauchzte. Auf ihre Bitten hin duldete er sogar Cinna in seiner Nähe, mit einem nachsichtigen Schmunzeln, während sie aufgeregt plapperte und immer wieder in die Lieder einfiel, die Thauris und Sunja auf dem Wagen anstimmten. Hraban zog angestrengt die Schultern hoch und umklammerte Zügel und Mähne, als könne er sich so leichter auf Cheimons Rücken halten. Seine Schenkel hingen kraftlos von den Flanken des Tieres, das weniger dem Reiter folgte als dem Zug der vierbeinigen Gefährten. Sogar Sunja bevorzugte jetzt ein Pferd anstelle des holprigen Wagens, eine zierliche graubraune Stute mit wippender Stehmähne und dunklem Aalstrich, die Wakramers ihr geschenkt hatte. Das Muli, das der Chatten fürst ihnen für Sunjas Gepäck überlassen hatte, war Cinna zugeteilt worden, ein zähes Vieh, hart im Maul und kurz in den Gängen, das er auf dem Rückweg mehr als einmal verwünschte. Noch Tage nach ihrer Rückkehr quälten ihn die Blessuren, die er sich vom Getrappel dieses Tieres zugezogen hatte; doch wenn er Hraban erblickte, der auf seinen Wegen durch das Dorf tapfer Haltung bewahrte, schämte er sich seiner Wehleidigkeit.
    Liuba hatte seine Frau wohlwollend begrüßt, und schon am nächsten Morgen erhellte beständiges Grinsen seine Miene. Gunthis war eine gute Frau, tüchtig und fleißig, ein Vorbild für jede Frau im Dorf, die einen kleinen Haushalt führen musste, was inzwischen wohl auch Liuba aufgefallen war. Außerdem schien er endlich anzuerkennen, dass der Gefangene nicht seiner Willkür unterworfen war.
    Apfelbäume öffneten ihre Blüten und standen weißrosa überpudert in der Sonne, umsummt von den wiedererwachten Bienen. Tagelang rief Hraban Cinna nicht zu den Übungen, die ihnen vor der Heeresversammlung zur Gewohnheit geworden waren. Unschlüssig, was er mit seiner Zeit anstellen sollte, machte Cinna sich daran, Waffen und Geschirre zu pflegen und zu putzen. Der braunhäutige Fischersohn, der seit geraumer Zeit mit Margio den Schlafplatz teilte, beobachtete ihn dabei aus dem Schutz der Holundersträucher. Vorsichtig näherte er sich Cinna, der vorgab, ihn nicht zu bemerken, bis sein Schatten schließlich über das schimmernde Eisen fiel.
    »Sei ein gutes Kerlchen und geh aus der Sonne.«
    Beim ersten Ton hatte der Junge einen Satz gemacht

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