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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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aus, von Ferne grüßten die fahlen Lichter der beiden Dörfer, während die Schreie der Fledermäuse mit den Schatten ihrer winzigen Körper durch die Finsternis schossen. Nachdem Cinna eine Decke zusammengerollt hatte, so dass sie ihm als Kissen dienen konnte, streckte er sich an den glimmenden Resten der Feuerstelle aus, verschränkte die Hände hinterm Kopf und starrte in den Himmel. Auf dem dunklen Zelt blinkten und funkelten die Gestirne, überstrahlt vom Mond, der gelb und fett über den Wäldern und Hügeln hing.
    Manchmal glaubte er Stimmen zu hören, Rufe und helles Lachen aus der Ferne, und er lächelte über den ländlichen Mummenschanz, der ihn an die lockere Moral umbrischer und etrurischer Bauern erinnerte. Wer nichts zu vererben hatte, den kümmerte die Reinheit seiner Töchter und Schwestern nur wenig – im Gegenteil: Ein Kind war ein künftiger Arbeiter, der seine Eltern versorgen würde. Hraban durfte die Grasbraut haben, und sie musste Cinna nicht Leid tun, denn er würde sie nicht grob behandeln oder verletzen. Bei Liuba wäre sich Cinna nicht so sicher gewesen.
    Ein brechender Zweig ließ ihn aufhorchen; schlagartig erwacht, lauschte er in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Ein Schatten hob sich vor den dunklen Tannen ab. Er setzte sich auf, schob dürre Tannenreiser in die Glut, die sich sofort entzündeten und duftende Flammen schlugen. Die Person hatte den Umhang vom Kopf gestreift und befreite das lange Haar daraus, so dass es schwer von Nässe auf ihre Schultern fiel. Cinna erkannte das Gesicht des Mädchens. Sie kam nicht unerwartet.
    »Darf ich mich am Feuer aufwärmen?«
    Er erwiderte ihr Lächeln und lud sie mit einem Wink ein, den sie flink befolgte. Kaum niedergesetzt, zog sie ein Tuch aus den Falten ihres Mantels, um damit ihr Haar zu trocknen. Dabei glitt der Umhang von Nacken und Schultern, die hell im Mondlicht schimmerten. Obwohl sie ihm den Rücken zuwandte, war ihm klar, welchen Zweck ihr Besuch hatte, und er hoffte, dass sie aus eigenem Antrieb gekommen war.
    Sie hatte innegehalten und betrachtete ihn aufmerksam. Er legte den Arm um ihre Schultern, zog sie leicht an sich. Wozu ablehnen? Er hatte nicht danach gesucht, nicht darum gebeten, aber er hatte seine Gedanken ja auch viel zu lange auf eine Unerreichbare gerichtet. Das Mädchen wandte sich ihm zu und öffnete den Mantel, um ihn zu umarmen, darunter nichts als ein warmer, weicher Körper und der Duft des Sees vermischt mit dem ihrer Haut.
    Eine unbedacht schnelle Bewegung, eine winzige Ungeschicklichkeit ihrer Hände weckten in ihm Bilder aus unwiederholbarer Vergangenheit: biegsame Körper syrischer Tänzerinnen, süße Stimmen griechischer Hetairen, die Verse in sein Ohr hauchten, Mädchen aus Asia Minor, deren Lippen nicht nur Flöten erfreuliche Töne entlockten. Er hatte sie vergessen, aus dem Gedächtnis verbannt; jetzt leuchteten ihre Abbilder verheißungsvoll hinter seinen Lidern auf, wurden wieder Möglichkeit, wenn Sunja erst die Frau dieses …
    Jäh ernüchtert, sank er fröstelnd auf den Rücken. In der Dunkelheit übertönte der Ruf eines Käuzchens das Rauschen des Laubes, durchwoben vom Duft frisch geschnittenen Grases, und er nahm die geschäftige Zärtlichkeit des Mädchens wahr, als gelte sie einem anderen. Seine Hände lagen still.
    Das Verklingen ihrer Worte weckte ihn. In ihren Augen las er dumpfe Sorge. Zerstreut verzog er die Lippen zu einem dünnen Lächeln und drückte ihren Kopf an seine Schulter, damit sie ihn nicht länger anschaute. Ihre Fingerspitzen kreisten langsam über seinen Bauch, suchten ihren Weg hinunter, die Leisten entlang, während ihr Mund über seine Brust wanderte. Sich einfach gehen zu lassen schien unmöglich, Gras und kleine Zweige pikten ihn, und die Luft reizte zum Niesen. Doch sie kannte die Berührungen, welche die Gedanken schwimmen machten. Sie zog ihm das Hemd über den Kopf und lehnte sich zurück, wartete, während der Widerschein des verglimmenden Feuers Schattenspiele über sie warf und ihre Augen unter den Lidern glitzern ließ. Jeder ihrer Atemzüge war wirklich, auch das leise Ächzen, als er sich auf ihren einladend ausgebreiteten Körper legte, freudig, dankbar sogar erwiderte sie jede Bewegung, fing ihn auf, hielt ihn fest, während kein einziges Wort über ihre Lippen kam, nur Tierlaute.
     
    Nachdem das Feuer bis auf die Glut erloschen war, begleitete er sie durch tauige Frühnebel zum Dorf zurück. Sie hakte sich bei ihm ein und

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