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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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ausruhte.
    »Gib mir eine scharfe Klinge für deinen Bruder.« Hrabans Augen weiteten sich. »Meinst du …?«
    Cinna nickte und sah Hrabans Hände in einer der beiden großen Taschen verschwinden und mit einem Schwert samt Gurt und Scheide wieder auftauchen. Er prüfte es mit einem langen Blick, bevor er es Cinna zuwarf. Der elfenbeinerne Griff lag gut in der Hand, zu gut. Zu vertraut. Die Bronzebeschläge waren säuberlich poliert und schimmerten in der Sonne auf dem tiefroten Leder. Akanthusblätter ringelten sich hinauf zu einer Wölfin, die zwei Knaben nährte. Heiß kroch es Cinnas Arme hinauf, und er spürte, wie sich im Nacken die Haare aufrichteten: Er hielt seine eigene Waffe in den Händen, das Schwert, mit dem er im vergangenen Herbst von Mogontiacum aufgebrochen war. Er zog es langsam aus der Scheide, ließ die Klinge weiß aufglänzen. Sein Herz schlug schnell, pochte in der Kehle, als er sacht mit dem Daumen über die Schneide fuhr. Sie war so scharf wie ehedem.
    Langsam kehrte er zu dem Jungen zurück, der an seinem Platz von einem Fuß auf den anderen trat, um seine Aufregung zu bekämpfen. Er hielt ihm den Griff hin, den Inguiomers ohne zu zögern mit der Faust umschloss, und nahm den Schild und die klobige Holzwaffe auf.
    Mit einem anderen Gegner wären die Gewichte ungerecht verteilt gewesen. Inguiomers schlug Kerben in die Übungswaffe, ließ das Holz splittern, und mit jedem Stoß scholl sein Stöhnen über den abgesteckten Platz. Er nötigte Cinna größte Vorsicht ab, denn er schien keine Rücksicht darauf zu nehmen, dass er ihn verletzen konnte. Allzu oft zwang er ihn in die Deckung des Schildes, erntete Beifall und aufmunternde Zurufe der Männer, die sich um sie sammelten. Plötzlich traf das Holz seine Rechte, dass er aufschrie und das Schwert fallen ließ.
    Cinna hatte sofort innegehalten und die Waffe aufgehoben; langsam näherte er sich Inguiomers, der nach schnellem Rückzug stehen geblieben war, um die blutig aufgeschürften Finger zu untersuchen.
    »Gibst du auf?«
    Hastig riss Inguiomers die angebotene Waffe an sich. »Niemals!«
    Er drängte nach, die Klinge fuhr gegen Cinnas Gesicht, dass dieser auswich, herumwirbelte und unerwartet neben dem Jungen stand. Das scharfe Schwert sauste durch die Luft, prallte krachend auf den Schild. Inguiomers fluchte, hieb nochmals auf seinen Gegner ein, der die Schneide mit der hölzernen Waffe ablenkte. Ein erstickter Schrei entfuhr dem Jungen, als er strauchelte, taumelte, das Gewicht des Schildes riss ihn zu Boden. Er rollte sich flink auf den Rücken, stieß das Schwert zur Verteidigung hoch, doch es schlug nur gegen den Schild des Gegners, der über ihm stand, ihm die stumpfe Klinge an die Kehle drückte.
    Ächzend sank Inguiomers zurück. Die Scham stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er in den Himmel starrte, Cinnas Blick trotzig ausweichend. Tränen rannen über seine Schläfen. Längst hatte Cinna die hölzerne Waffe beiseite geworfen, streckte ihm stattdessen die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Doch Inguiomers lehnte diese Hilfe ab, rappelte sich auf und kehrte ihm den Rücken. Hraban fing ihn ein.
    »Diese Prügel habe ich auch schon einstecken müssen«, tröstete er seinen kleinen Bruder augenzwinkernd.
    Inguiomers schien mit dem Fuß aufstampfen zu wollen, warf den Kopf zurück und drehte sich zu Cinna um, der die scharfe Waffe wieder in die Scheide steckte.
    »Ich will, dass du mir das beibringst – alles, was du weißt, alles, was du kannst!«
    Lächelnd senkte Cinna den Kopf. »Es mag eine Weile dauern …«
    »Das ist mir egal.«
    »Du wirst Geduld brauchen, lernen müssen, mit deinen Empfindungen umzugehen, dem Zorn, dem Schmerz, dem Gefühl des sicheren Sieges.« Sein Blick fiel in die leuchtenden Augen des Jungen. »Man verliert immer nur gegen sich selbst. Und der Preis ist hoch.«
     
    Die erschöpften Krieger hatten sich am Abend auf den Weg zum See gemacht, dorthin, wo sie vor wenigen Tagen einen neuen Steg gezimmert hatten. Sie verscheuchten einige
    Frauen und Mädchen, die den warmen Frühlingsabend zum Waschen genutzt hatten. Nun lungerten sie auf den Planken herum, um sich von den letzten Sonnenstrahlen wärmen zu lassen, planschten mit den Füßen im Wasser und kühlten die Schrammen und blauen Flecken mit nassen Tüchern. Inguiomers balgte sich mit einigen der Jüngeren auf dem grasbewachsenen Uferstreifen.
    Ahtala untersuchte eine Platzwunde an Cinnas Augenbraue und entfernte vorsichtig den

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