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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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euren Liedern preist!«, fauchte er. »Meuterei, Verrat, Angriffe aus dem Hinterhalt – ich gratuliere! Jeder Feigling hätte das zustande gebracht! Im Illyricum habt ihr für Tiberius die Pannonier abgeschlachtet, und ein Jahr später schlachtet ihr für Ermanamers eure eigenen Kameraden ab.«
    Ahtala war vor ihm zurückgewichen, stand kaum einen Schritt von ihm entfernt und hielt seinem zornigen Blick tapfer stand. Brüsk drehte Cinna sich um und setzte mit stampfenden Schritten seinen Weg fort, als könne er damit den Tumult, die Schreie, das Waffengeklirr in seinen Ohren zum Schweigen bringen. Wasser perlte kühl über Stirn und Schläfen, warm und salzig über die Wangen, trübte den Blick, bis er grob mit beiden Händen über sein Gesicht fuhr, ohne anzuhalten.

XIX
    Langsam querte Cinna den Hof, blinzelte zur Sonne hinauf, deren Strahlen das Land in Wärme badeten. In den Brennnesselbüschen gaukelten paarweise die Schmetterlinge, und das Summen der Bienen und Hummeln schwirrte zwischen den Hecken und über der blühenden Wiese, wo die Grillen ihren feinen Gesang spannen.
    Inguiomers hatte inzwischen sicher den Ratsplatz erreicht, wo sein Vater sich mit einigen der Männer über die Neuigkeiten beriet, die ein Bote gebracht hatte. Schon seit dem frühen Vormittag war der Junge verdrossen herumgeschlichen, nachdem ihn sein Vater weggeschickt hatte wie ein Kind. Weil Cinna gerade einer seiner bevorzugten Beschäftigungen nachgegangen war, der Pflege der Pferde, hatte sich eine weitere Gelegenheit geboten, Inguiomers mit allem vertraut zu machen, was ein berittener Krieger wissen musste. Anfangs war der Junge finster hinter ihm hergetrabt, hatte jede noch so geringe Gefälligkeit verweigert, bis ein fallen gelassener Führungsstrick Cheimon dazu verleitete, zum offenen Gattertor zu trotten. Inguiomers nahm die Leine auf und führte das Pferd zu den anderen Tieren zurück. Im Vorbeigehen drückte Cinna ihm ein Büschel Stroh in die Hand, so dass er sich von diesem Augenblick eingebunden fand in die zahllosen Handgriffe, die nötig waren, um das Wohlergehen der Pferde sicherzustellen. Zwischendurch war er bald auf dieses, bald auf jenes Pferd gesprungen, hatte zweimal unsanft Bekanntschaft mit dem Erdboden gemacht – Swintha würde über die Grasflecken schimpfen –, und das eine oder andere Kunststückchen versucht, bevor er, nach getaner Arbeit entlassen, grußlos davonstob.
    Cinna beschattete die Augen, als helle Stimmen seine Aufmerksamkeit weckten; die Frauen hatten den Vormittag zum Waschen genutzt und breiteten nun Laken und Kleider hinter dem Haus in der Sonne aus.
    Zwischen zwei Laken, die der Wind leicht bewegte, standen Sunja und Reika. Das arme Mädchen beugte gehorsam den Nacken vor der Tochter ihres Herrn, wagte nicht einmal ein Lächeln, als sie zusammen mit einer anderen Frau einige Teile in einem Korb sammelte und damit schnell über den Hof zum Tor eilte. Sie hatte kaum Gelegenheit für ein Lächeln, als sie an Cinna vorbeilief. Er überlegte, ob er ihr folgen sollte, hemmte unschlüssig seinen ohnehin langsamen Schritt. Als er Hraban erblickte, der den Weg heraufstapfte und ihm winkte, beschloss er jedoch, den angenehmen Teil des Tages auf den Abend zu verschieben.
    »Es gibt Neuigkeiten«, platzte Hraban heraus. »Marhabadws hat seine Ohren wandern lassen.«
    Die Vorstellung lockte ein Grinsen auf Cinnas Gesicht. »Gäbe es keine Neuigkeiten, wäre auch kein Bote gekommen«, flachste er.
    Hraban winkte ab. »Leider nichts Gutes. Tiberius verhandelt nicht, nicht einmal über Gefangene. Er hat gewaltige Heere aufmarschieren lassen, die den Rhenus bewachen, und dort, wo die Brukterer nicht wachsam waren, wurden die Straßenposten entlang der Lupia wieder besetzt. Außerdem wurden Gesandtschaften zu den Chatten und den Stämmen im Norden geschickt.«
    »Plant er den Einmarsch?«
    »Niemand weiß das.« Hraban hob die Schultern, um sie wieder fallen zu lassen. »Offenbar will er vor allem den Rhenus als Grenze zur Belgica sichern. Bisher gibt es keine Angriffe. Die Soldaten, meist gallische Hilfstruppen, besetzen nur einzelne Stützpunkte. Sie dringen sehr langsam vor, wahrscheinlich um zu prüfen, wie lange Ermanamers dieses Vorgehen duldet.«
    Das Lachen der Mädchen lenkte ihn ab, und es schien ihm widersinnig angesichts der drohenden Kriegsgefahr, dass sie unbeschwert über die Wiese rannten, einander zu einem Reigen an den Händen fassten und tanzten. Eine dünne Stimme sang ein Lied, die

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