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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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des … wer?«
    Sie straffte sich sichtlich, ehe sie antwortete. »Inguiotar. Sohn des Liubagastis. Herr über drei cheruskische Gaue westlich des Visurgis. Mein Vater.«
    »Den kenne ich nicht, bedaure.«
    »Du befindest dich in seiner Gewalt, Ichsagegarnichts.«
    »Nicht mehr lange, meine Hübsche«, knurrte er.
    Sein Blick flog zu dem jungen Mann neben ihr, der einen Schritt auf ihn zu getan hatte, ehe sie ihn mit einer raschen Bewegung aufhielt.
    »Mein Name ist Sunja, und er«, sie wies auf ihren Bruder, »heißt Inguhraban. Und wenn du nicht willst, dass wir dich in Zukunft Ichsagegarnichts nennen, solltest du uns jetzt deinen Namen nennen.«
    »Gaius Cornelius Cinna, Sohn des Gnaeus Cinna Magnus, dessen Mutter eine Tochter des Großen Pompeius war, falls dir das etwas sagt. Mein Urgroßvater war viermal Consul von Rom, und mein Vater bekleidete dieses höchste Amt vor drei Jahren.«
    Sie hielt seinem Blick stand, hob sogar in spöttischer Anerkennung die Brauen. »Ein guter Fang, nicht wahr, Hraban?«
    Sein Stolz fiel in sich zusammen wie ein ausgeleerter Weinschlauch, mühsam hielt er sich aufrecht und starrte sie an.
    »Komm, wir zeigen dir, wo die Latrine ist und wo du dir Wasser holen kannst. Die Magd hat Wichtigeres zu tun, als sich ständig um dich zu kümmern.«
     
    Am Abend fand er sich an der gedeckten Tafel ein, verunsichert durch das Stimmengewirr, das eine unharmonische Tafelmusik zu der faden Kost bildete. Die Einzige, die ihn ansprach, war Sunja, die anderen plapperten miteinander, ohne ihn zu beachten. Fremd klangen ihre Stimmen, mehr tierisch als menschlich, was so fern vom Mittelpunkt der Welt nicht weiter verwunderlich war, fremd roch es in diesem roh gezimmerten Haus, und was sie ihm zu essen gaben, schmeckte fremd und war geradezu unverträglich. Statt der faden Krankennahrung der ersten Tage teilte er die einfallslose Alltagskost der Barbaren. Grütze. Grütze mit Kräutern, Lauch und Hülsenfrüchten, kleine grobe Fladen, dazu schenkte die Sklavin einen verdünnten Saft oder gesäuerte Milch aus. Die Hausherrin bot ihm einen unansehnlichen, kleinen Räucherfisch an, den er beinahe verschmäht hätte, wenn ihn nicht der unwiderstehliche Duft davon überzeugt hätte, das haltbar gemachte Wassertier zumindest zu kosten. Zu seinem Erstaunen machte dieser Versuch ihn mit einer wahren Köstlichkeit in der ansonsten eher kargen Küche bekannt.
    Ein halbwüchsiger Junge, der Cinna ignorierte wie einen unerwünschten Eindringling, tat sich darin hervor, das Kind, das Cinna die Zunge herausgestreckt hatte – Saldir heiße sie, hatte Sunja ihm mitgeteilt –, unter dem Tisch zu necken, und die Kinder zankten, bis die Mutter tadelnd einschritt. Offenbar vermissten sie schon seit einiger Zeit die Hand ihres Vaters, dessen Platz am Kopfende des Tisches, unter dem Wolfsbalg, leer war. Doch wenn Cinna Sunja richtig verstanden hatte, dann war der Herr des Hauses nur zeitweilig abwesend.
    In ihren Mienen konnte er lesen, dass sie über ihn sprachen, einige Male hörte er seinen Vornamen heraus, eigentlich nur die erste Silbe, so wie sein Vater ihn rief, kurz und scharf. Seine Wangen wurden heiß, und er krampfte die Hände um den Brotkanten, während er kaute.
     
    Der Regen, der auf das strohgedeckte Dach strömte und in vereinzelten Tropfen aus dem hohen Giebel auf den Trockenboden klatschte, hielt ihn im Haus gefangen. Unter dem Dach trockneten Mäntel und Kleider und schwängerten den allgegenwärtigen Qualm des Herdfeuers mit dem dumpfen Geruch des Wollfetts. Da die Bewohner sich ohnehin nicht mehr als notwendig im Haus aufhielten, schlug er die Zeit damit tot umherzuhumpeln, damit Muskeln und Gelenke nicht steifer wurden als ohnehin unvermeidlich.
    Schließlich versiegten die endlosen Schauer, die ihn Nacht für Nacht sanft eingeschläfert hatten. Cinna klammerte sich an den Gedanken, dass Suchtrupps längst ausgeschwärmt waren, und fürchtete doch, Lucius Asprenas könnte Wind bekommen haben von seinem Verhältnis mit Calpurnia und sich auf hinterhältige Weise seines Nebenbuhlers entledigen. Mitunter versuchte er sich einzureden, die Barbaren, die ihn immerhin freundlich behandelten, seien Verbündete und würden ihn gesund pflegen, um ihn zu den seinen zu bringen, sobald er wieder auf einem Pferd sitzen konnte. Hoffnung, die mit dem nächsten Atemzug in bitteren Grimm umschlug, manchmal sogar in Verzweiflung. Es gab Gelübde, die er nicht eingelöst hatte, Ringeltauben und Kränze, die er Venus

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