Der Tribun
solche Aufregung versetzt hatte. Reiter waren eingetroffen und von den Wachen am Burgtor aufgehalten worden, wo sie darauf bestanden hatten, zu Inguiotar vorgelassen zu werden. Doch nur einer von ihnen durfte den Weg zum Anwesen fortsetzen – zu tief saß noch immer das Misstrauen gegenüber jedem unbekannten Besucher. Und kaum hatte der Fremde seine Botschaft überbracht, habe Inguiotar Frau und Tochter geheißen, das gute Leinenzeug herauszuholen; im schönsten Schmuck wolle er sie sehen, wenn die Gäste eintrafen. Bevor Margio fortfahren konnte, rief Hraban bereits nach den Pferden, übergab Waihtis die Aufsicht über die Krieger und ließ den Knecht auf das Muli hieven, das vergeblich protestierte. In höchster Eile kehrten sie zu dritt zur Burg zurück, Hraban, Cinna und der Knecht, dessen Reittier hinterdrein zockelte.
Die vier Ankömmlinge lagerten auf dem Hang im Gras, wo ihre Pferde weideten; wie zum Beweis friedlicher Absicht hatten sie ihre Speere in den Boden gerammt und die Spitzen zusammengebunden. Ehe Hraban und seine Begleiter durch das Tor ritten, grüßten sie ihn und begafften die berühmte Geisel.
Sunja saß in ihren besten Kleidern auf der Bank und webte einen bunten Gürtel, die angemessene Tätigkeit für die Tochter eines Edlen. Ihre Finger bewegten sich eckig, immer wieder wischte sie eine Locke aus der Stirn, die sich aus den Flechten befreit hatte. Das bunte Band, das sie webte, glitt ihr aus den Fingern, und während sie ihren Vater anstarrte, der vor dem Haus wartete und unverwandt zum Tor hinunterblickte, glomm in ihren Augen eine Mischung aus Zorn und Ergebenheit. Als Hraban, der an ihr vorüberging, in das verstörte Gesicht schaute, blieb er stehen, um den Arm um sie zu legen. Leise sprach er auf sie ein, tätschelte begütigend ihre Schultern, dann schob er sie sanft vor sich her zum Haus, wo Thauris wartete.
Zwei große, kräftige Männer ritten auf den Hof, gefolgt von einem Gepäckwagen mit zottigen Ponys und einem Gefolge von vier Reitern. Inguiotar schritt mit dem silberbeschlagenen Horn, das er nur zu besonderen Gelegenheiten aus der Truhe nahm, zu ihnen, nachdem Margio sich der Pferde angenommen hatte. Der ältere der beiden Männer, ein breitschädeliger, bäurischer Kloß, sprang überraschend behände auf die Erde und goss den Begrüßungstrunk nach einer achtlos hingeworfenen Erwiderung der üblichen Anrede gierig in seinen Rachen. Den jungen Begleiter erkannte Cinna sogleich als den Krieger, der sich schon bei der Heeresversammlung um Inguiotars Tochter bemüht hatte.
Halb vom massigen Körper ihres Vaters verborgen, heftete Sunja den Blick auf den Boden, während der Dicke sie neugierig musterte. Beinahe erschrocken begriff Cinna, was vor sich ging: Man würde Sunja verloben und verheiraten, ohne sie zu fragen, weil die Ehe als ein zu wichtiger Schritt angesehen wurde, um die Wahl den Betroffenen selbst zu überlassen. Nicht viel anders war es Cinna selbst ergangen, der seine Braut am Tage der Verlobung nach Jahren zum ersten Male wiedergesehen hatte, ein blasses Geschöpf mit winzigen Händchen und Füßchen und üppig aufgetürmter schwarzer Lockenpracht. Sie war ihm schon seit der Kindheit versprochen gewesen, war manchmal mit ihm durch die Wiesen bei Perusia spaziert – dann hockte sie steif auf einem hohen Stuhl und knetete verlegen die Finger. Er erinnerte sich, wie sehr sie ihn gerührt hatte, dass er sich in sie verliebt hatte, wie man sich in einen winzigen Sperling vernarrt, den man im Käfig hält, dressiert und verhätschelt. Nicht lange nach der überstürzten Hochzeit hatte er sie in seinem Vaterhaus zurückgelassen, um nach Rhodos aufzubrechen, und ihre unbeholfenen Briefe zunehmend seltener beantwortet, bis sie einfach ausblieben. Als er nach dem Tod des zweiten Bruders aus Griechenland zurückkehrte, war sie längst von ihm geschieden und in ihr Elternhaus zurückgekehrt, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Wieder knüpften zwei Familien ein Band, und es würde für Sunja zur Fessel werden, wenn sie sich nicht willig fügte. Cinna erkannte in ihren aufflammenden Augen die Kränkung, die sie mühsam verbarg, während Inguiotar seine Tochter gut gelaunt anpries und die Werber sie wohlwollend betrachteten, nickten und dem strahlenden Vater die Hände reichten. Sie gab sich freundlich, beinahe liebenswert, als Inguiotar seine Gäste ins Haus führte, aber nur ein Dummkopf konnte übersehen, wie viel Mühe es sie kostete, sich zu beherrschen.
Am Abend
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