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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Widerspruch. Als sie sich erhob und auf den Hof hinausging, folgte er ihr. Es war die Stunde, in der die Amseln ihr Frühlied sangen und ihre kollernde Melodie über den ersten Nebelschwaden schwebte.
    »Du schläfst schlecht«, stellte Thauris fest. Sie stand vor ihm und schaute ihm prüfend ins Gesicht.
    Er stutzte. »Du holst mich mitten in der Nacht aus dem Bett, um mir zu sagen, dass ich schlecht schlafe?«
    »Wir haben gemeinsame Träume, Cai. Doch ich fürchte das, was du dir wünschst.«
    »Wovon sprichst du?« Er hatte die Frage kaum ausgesprochen, als er sie schon bereute; er wollte es nicht wissen, wollte die Augen verschließen vor der drohenden Gefahr.
    »Du begehrst meine Tochter. Und sie dich. Und das darf nicht sein. Du suchst ein Spielzeug, keine Frau.«
    Cinna schluckte. Er wollte leugnen, aber die unverhohlene Wahrheit aus ihrem Mund erstickte jedes Widerwort.
    »Meine Tochter braucht keinen Mann, der sie wie ein Spielzeug behandelt, ihr nette Dinge sagt und schenkt und sie wegräumt, wenn er sie nicht sehen will. Sie braucht einen Mann, der ihr Schutz bietet – ein Leben lang! Ihr und seinen Kindern. Denn das ist der Preis dafür, dass sie ihm Kinder gebären wird: Er muss ihrer aller Leben mit seinem schützen.«
    Im nächtlichen Zwielicht sah er, dass sie ihn musterte, nicht abschätzig, aber ohne die Wärme, die sonst in diesen Augen lag. »Du wärest niemals bereit, einen solchen Preis zu zahlen. Du kannst es gar nicht.«
    Sie fuhr herum, machte einige Schritte zur Koppel hin, wo die Pferde dösend die Köpfe hängen ließen, bis eines mit einem leisen Wiehern erwachte. Sofort kam Leben in die Tiere; sie schlossen sich dichter zusammen und schauten herüber. Thauris verharrte auf der Stelle, dann winkte sie Cinna näher zu kommen. »Ich bitte dich – nein, ich befehle dir, von ihr abzulassen!«
    Seine Kehle schien zugeschnürt, und er wusste nicht, wie er ein Wort hervorbringen sollte, da er kaum den Atem hervorstoßen konnte. »Und wenn ich das nicht kann?«
    »Ich weiß, dass sie nichts tun wird, was gegen unsere Sitten verstößt. Das beruhigt mich.«
    Sie wandte sich schroff ab und entfernte sich, bis sie nochmals stehen blieb. Ihre Augen flackerten im nächtlichen Zwielicht.
    »Wenn du wirklich in sie verliebt bist«, stieß sie leise hervor, »wenn das bedeutet, dass sie einen Wert für dich hat und nicht nur Spielzeug ist, dann versprich mir, dass du niemals Gewalt gegen sie üben wirst, und dass du niemals dulden wirst, dass irgendjemand Gewalt gegen sie übt – was auch immer geschieht und wer auch immer es ist. Schwöre mir das bei allem, was dir heilig ist, dass du sie mit deinem Leben schützen wirst, sie und ihre Kinder.«
    Mit Drohungen hatte er gerechnet, damit, dass sie sich seiner Freilassung in den Weg stellen, dass sie ihn beobachten, ihn verfolgen würde – doch nicht damit, dass sie ihre Tochter seinem Schutz anbefahl. Ihre Tochter, die bereits einem anderen versprochen war, als solle er sie für diesen Mann beschützen, obwohl sie gerade erst erklärt hatte, dass sie seinen Absichten misstraue. Er schwor es, stockend zuerst, bei seinem Genius, den er viel zu lange vernachlässigt hatte, beim Leben seines Vaters, sogar bei seiner Freundschaft zu Hraban, so dass sie lächelte und ihre Augen wieder warm schimmerten; dann ließ sie ihn stehen und ging zum Haus zurück.

XX
    Inguiomers wurde zu stark für ihn. Zumindest an diesem Nachmittag hatte Cinna ihm nichts entgegenzusetzen, das der Junge nicht parierte, und je öfter er in Bedrängnis geriet, desto verwegener wurde Inguiomers. Immer wieder versuchte Cinna, ihn aus der Reserve zu locken, doch Inguiomers war wach und schnell, und jedem Ausfall begegnete er mit dem Misstrauen dessen, der mit Scheinangriffen und getarnten Attacken rechnet.
    Zweimal hatte Cinna bereits Treffer hinnehmen müssen, der Letzte hatte seine linke Schulter schier bersten lassen. Den Schild zu halten wurde zur Qual, ihn hochzunehmen fast unmöglich. Und zu allem Überfluss spürte er deutlich die Blicke der Mädchen.
    Sie hatten hier nichts verloren, sie hätten ihre Körbe flugs ins Dorf bringen sollen. Stattdessen tummelten sie sich auf der Wiese, beobachteten die Krieger, tuschelten und kicherten und zeigten mit den Fingern herum. Sunja hatte sie hergebracht, und nun stand Saldir am Rand des Feldes und kaute fiebrig auf den Nägeln, während Hraban seinen Schwestern jede Bewegung, jeden Schlag erklärte. Sunja zeigte keine besondere

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