Der Tribun
Anteilnahme, während sie den Übungsgefechten zusah. Thauris musste sich irren. Was hatte ihn nur verleitet, auf sie zu hören, einen unsinnigen Schwur zu leisten?
Der Schlag überraschte ihn. Inguiomers drang mit aller Kraft und seinem Schild auf ihn ein, dass er strauchelte. Ein einziger unachtsamer Augenblick, und er hatte Mühe, den Hieb mit der eigenen Waffe aufzufangen. Er musste einen Tritt gegen das Schienbein hinnehmen, der ihn aus dem Gleichgewicht warf, und ehe er sich durch eine schnelle Drehung retten konnte, glitt er auf dem feuchten Rasen aus und stürzte. Im Fallen verlor er den Schild, Schulter und Arm waren wie gelähmt, als ein scharfer Schmerz in sein Knie biss. Kaum gelang es ihm, sich herumzuwerfen, das Schwert schützend vor sich zu halten, da gellte Inguiomers Schrei über die Wiese. Der Junge jubelte, dass sich seine Stimme überschlug, und führte einen wilden Tanz auf, während Cinna sich mühsam aufsetzte. Im linken Knie klaffte eine senkrechte Wunde, aus der ein dicker Faden dunklen Blutes quoll. Er war gegen die Kante des Schildes geprallt. Ahtala war bereits bei ihm, presste ein Leintuch auf die Verletzung und betastete die Umgebung der Wunde. Dann bewegte er das getroffene Gelenk und fragte, ob es weh tue.
»Ja, es tut weh. Hör auf!«, zischte Cinna und stieß Ahtalas Hände weg. Die bloße Berührung erregte einen Widerwillen, der weniger erträglich war als der beißende Schmerz. Seit ihrem Zerwürfnis war Cinna meist ohne seine Dienste ausgekommen und hatte ihn gemieden. Niemand verlor ein Wort über ihre offensichtliche Entfremdung, und Ahtalas vorsichtige Bemühungen, Cinnas Blick einzufangen, misslangen.
Saldir kniete neben ihm, streichelte seine Schulter, und sein Gewissen erinnerte ihn leise daran, dass er sie seit langem kaum beachtete. Das Mädchen tupfte Blut und Schmutz ab und drückte dann ein Tuch sanft gegen das untere Ende des Schnittes, um nachrinnendes Blut aufzufangen. Er fand sich umringt, auch Inguiomers stand mit hängenden Armen dabei und machte ein schuldbewusstes Gesicht, anstatt sich zu freuen, dass er zum ersten Male Sieger geblieben war. Schließlich ergriff Hraban Cinnas unverletzten Arm und half ihm auf die Füße, stützte ihn, während er langsam zum Karren humpelte. Inguiomers, der nicht mehr recht zu wissen schien, was er von seinem Sieg halten sollte, trottete stumm hinterher.
Nach einigen Entschuldigungen, die Cinna mit einer wegwerfenden Geste abgewiegelt hatte, saß Inguiomers stolz neben seinem Fechtlehrer auf dem Karren und beaufsichtigte Saldirs ungeschickte Bemühungen, das Knie zu verbinden. Ihre Hände zitterten noch immer, und auf ihrem Gesicht kämpfte Anspannung mit der Vorfreude darauf, die mausgraue Stute mit der Stehmähne reiten zu dürfen. Cinna befürchtete, die Wunde könnte wieder aufbrechen, wenn er sie belastete, und zog es bei allem gutmütigen Spott vor, den Rückweg im Wagen zurückzulegen.
Während die Männer unter Ahtalas Führung aufbrachen – mit ihnen Saldir und Inguiomers, der es sich nicht nehmen ließ, auf seine kleine Schwester aufzupassen, blieb Sunja bei Hraban und dem Wagen, auf dem Cinna sich zwischen den Taschen einrichtete.
Hraban nahm die Zügel des zottigen Pferdchens und führte es schnalzend zum Weg hinunter. Sunja ging neben ihm und ihre leise Unterhaltung, ihr Lachen und Flüstern lullten Cinna ein. Er war erschöpft und beherrscht vom dumpfen Zerren im Knie, das zu heilen er nur Thauris zutraute – immerhin hatte sie ihm in einem weit ärgeren Zustand helfen können.
Ein Stoß weckte ihn aus seinem Dösen. Der Karren war stehen geblieben, und Sunja erschien an der Rückseite, schwang sich hinauf und kam auf der Kante zu sitzen. Als das Pony antrat, wäre sie beinahe vom Wagen gerutscht; schnell griff Cinna nach ihrem Arm, doch sie wich ihm aus und schob sich auf die hölzerne Ladefläche, um sich an der gegenüberliegenden Seitenwand anzulehnen. Unter halb geschlossenen Lidern beobachtete er, wie sie umständlich das Kleid über den Beinen glättete.
»Daguvalda wird Sehnsucht nach dir haben«, neckte Hraban sie über die Schulter hinweg.
Ihr Gesicht verhärtete sich, als sie den Kopf hochwarf und spitz entgegnete: »Vielleicht tröstet er sich solange mit einer anderen.«
»Das wird er nicht wagen.«
»Leider«, murmelte sie und schloss ergeben die Augen.
Der Wagen rumpelte über den unebenen Weg, ihre Beine kippten zur Seite und schmiegten sich unverhofft an Cinnas unversehrtes Knie.
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