Der Tribun
befestigt hatte und offensichtlich der Anführer dieser Schar war, glitt gewandt vom Pferderücken und befreite sich von seiner Kapuze, als er sich ihnen näherte.
»Sei mir gegrüßt, kluge Sunja, Inguiotars Tochter«, begann er mit freundlich hingestreckter Hand. »Ich bin Thrasa, Freund und Gefolgsmann des Segigastis. Es ist unsicher auf den Wegen. Wenn du es wünschst, werden wir dich begleiten. Eine freie Frau sollte nicht ungeschützt durch die Wälder ziehen.«
Aus der Hand eines seiner Männer ergriff er, ohne auf eine Erwiderung zu warten, einen Speer, dessen kurze Eisenspitze matt schimmerte. Mühsam straffte Sunja sich, um zu antworten, als der fremde Krieger den Kopf schüttelte. Plötzlich stieß die Waffe vor, wurde der schmutzstarrende Mantel von Cinnas Schultern gerissen, seine verräterische Gestalt dem fahlen Zwielicht ausgesetzt.
»Dein Begleiter ist niemand anderes als eure Geisel, Tochter des Inguiotar«, sagte der Fremde freundlich. »Und ihr reitet die Pferde, die zu Daguvaldas Brautpreis gehörten.«
Cinna spürte, wie die Erstarrung von ihm abfiel; ohne zu zögern lenkte er den Grauen neben Sunjas müdes Reittier, die Hand am Griff des Schwertes. Thrasa warf sich den Umhang über die Schulter und kehrte zu dem Braunen zurück, auf dessen breiten Rücken er mühelos sprang.
»Wir sind nicht auf dem Weg zu meinen Leuten. Wir wollen zu meinem Onkel Wakramers«, sagte Sunja leise.
Der junge Krieger lächelte. »Ihr seid weit abgekommen vom Weg.« Er wog die Waffe in der Hand. »Die Nachricht von deiner Entführung und der Flucht der Geisel ist schon zu uns gedrungen. Von uns droht euch keine Gefahr«, fuhr er zu Cinna gewandt fort. »Aber Liuba durchstreift mit Ermanamers’ Männern die Wälder, und Daguvalda ist ebenfalls hinter euch her.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause, bevor er fortfuhr: »Wir werden euch zu Segigastis bringen.«
Mit einem knappen Ruf warf er sein Pferd herum, die Reiter lösten den Ring auf und setzten ihm nach. Als Sunja sich umdrehte, sah Cinna ihre hellen Augen schimmern. Warm schmiegte sich ihre Hand in seine, bevor sie die Zügel aufnahmen und die schlaftrunkenen Pferde vorwärts trieben.
Der dumpfe Hufschlag auf der aufgeweichten Erde, das leise Klirren der Bronzebeschläge und das Klappern der Waffen mischten sich im Takt des Töltganges. Die wogenden Pferdeleiber, die eisige Berührung des Nebels, die grüne Dunkelheit des Waldes, in den sie eintauchten, nahm Cinna nur verschwommen war. Während das feuchte Mähnenhaar seine Hände peitschte, folgte er den Kriegern und hätte gerne sein Pferd angespornt, um zur Spitze aufzuschließen, hielt sich jedoch zurück, um in Sunjas Nähe zu bleiben.
Die Hufe griffen in nasses Laub; halb vermoderte Blätter und Erdklumpen flogen auf, während die Pferde unter Tannen und Buchen vorwärts eilten. Er befand sich im Schutz treuer Verbündeter, ritt mitten unter ihnen zu einer Insel der Treue in einem Meer von Verrat, Meuterei und Stammeskriegen. Erst jetzt war das Tor aufgestoßen, und Zuversicht machte seine Brust weit.
Thrasas Hand stieß empor. Hoch aufgerichtet saß der junge Krieger auf dem stolzen Braunen, blickte durch die Finsternis über ein baumloses Tal hinweg auf einen Hügel, von dem einzelne Lichter herüberblinkten. Als sein Brauner aufgeregt wieherte, schallte eine helle Antwort aus dem Tal herauf, eine rossige Stute. Die Pferde hoben die Hufe, versuchten, sich auf der Stelle zu drehen, tänzelten, stießen einander und schnappten mit gebleckten Zähnen. Unversehens waren sie zu Rivalen geworden. Cinna sah die Heiterkeit auf Thrasas Gesicht mit Erleichterung.
»Dort drüben ist Segigastis’ Burg.« Der Krieger stieß einen Schrei aus, rammte dem Braunen die Fersen in die Flanken, dass das Tier sich vorwärts warf, ins Tal hinunter.
Noch am Hang gesellten sich weitere Reiter zu ihnen, wechselten aufgeregte Rufe mit Thrasa und seinen Männern. Cinna hörte die Worte »Inguiotars Schatz«, die einer der Späher in rasendem Galopp voraustrug.
Auf halber Höhe des Hügels erhob sich eine Mauer, deren Tor ihnen weit geöffnet wurde. Sie trabten einen breiten Weg hinauf an Zäunen entlang, scheuchten zusammenlaufende Menschen beiseite und erreichten einen ausgedehnten Hof, wo sie zum Stehen kamen. Einige Krieger waren bereits abgesprungen, hatten die Zügel ihrer Pferde fremden Händen überlassen und unterhielten sich lauthals und wild gestikulierend, als Cinna das Bein über den Hals des
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