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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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der die Hose hielt. Während die Magd die zerrissenen Kleider hinaustrug, musterte Thrasa unverhohlen Cinnas Körper, fuhr mit der Hand über die Narbe zwischen Hals und Schulter und die dünnen, blassen Linien, die den Rücken zeichneten.
    »Sie haben dir übel mitgespielt«, murmelte er.
    Rasch entzog Cinna sich ihm, indem er in den Zuber stieg. Die Magd kehrte mit sauberen Tüchern über dem Arm zurück, während Thrasa zwei Becher füllte. Mit einer leichten Neigung des Kopfes dankte Cinna für den Trunk, den der junge Cherusker ihm reichte, und nahm einen tiefen Zug. Das Mädchen wusch ihm Stirn und Schläfen mit einem weichen Tuch, rasierte ihn und knetete sanft sein Haar. Thrasa wies auf den Stapel gefalteter Kleidung. »Wenn du lieber die Tracht deines Volkes und deines Standes tragen möchtest, dann lässt sich das einrichten.«
    Wortlos schüttelte Cinna den Kopf; das Bier, das warme Wasser und die Behandlung, die das Mädchen ihm angedeihen ließ, betäubten ihn, Erinnerungen stellten sich ein an das Bad im väterlichen Haus in Rom, an die beheizten Terrakottaböden.
    Die Hände der Magd schoben ihn leicht ins Wasser, spülten die ölige Mischung aus dem Haar. Er tauchte wieder auf, prustete und schüttelte sich. Auf der Suche nach seiner Schale blinzelte er die Tropfen von den Wimpern, betrachtete versonnen das runde Hinterteil der Magd, die einige Laken über die frisch duftende Einstreu des Bettes breitete.
    »Du kannst sie haben«, sagte Thrasa. »Segigastis hat ihr befohlen, für dein Wohlbefinden zu sorgen.«
    »Sag mir lieber, wie es mit meiner Rückkehr steht. Wann werden wir aufbrechen?«
    »Das wird noch eine Weile dauern. Der Weg durch die Länder der Marser und Sugambrer ist gefährlich geworden. Wir werden warten müssen, bis der Bote zurückkehrt.«
    Die Magd hatte Cinnas Blick bemerkt und zwinkerte ihm zu; dabei rutschte wie zufällig ihr Rock über das aufgestellte Knie und zeigte Beine, die glatt und rund waren wie gedrechselt. Beine, wie Reika sie hatte. Er drehte sich nach Thrasa um, wollte ihn nach der Lage der Dinge fragen, doch dessen Blick war starr auf das Mädchen gerichtet, das flink aus Kittel und Rock schlüpfte und zwischen die Decken kroch, um sie anzuwärmen. Die Augen des jungen Kriegers waren hungrig, und er knetete seine Finger, als er auf den Sitz glitt, die Blicke träumerisch auf das Mädchen gerichtet. Zweimal musste Cinna den jungen Krieger bitten, ihm eines der Laken zu reichen, auf denen dieser jetzt saß, ehe Thrasa ihm zerstreut das Gewünschte gab. Dann kletterte Cinna aus der Wanne, um sich abzutrocknen.
    »Was soll ich mit ihr …«, murmelte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf das Mädchen.
    »Das fragst du?«
    Sie wechselten ein breites Grinsen. »Ich bin müde. Erschöpft. Ich war drei Tage unterwegs und habe so gut wie nicht geschlafen. Ich habe keine … Verwendung für sie … heute Nacht.«
    »Du meinst …?«
    Cinna nickte. »Wenn sie nichts dagegen hat«, beendete er Thrasas Gedanken.
     
    Das Mädchen hatte nichts dagegen und Cinna Grund, die Großzügigkeit, die er sich gestattet hatte, zu bereuen. Nicht nur dass Thrasa ihm zuerst nicht hatte glauben wollen – Cinna bemerkte, dass er ihn als Narren belächelte. Thrasa war ein netter Kerl, aber seine mit gutmütigem Spott gepaarte Schamlosigkeit veranlasste Cinna dazu, die nächsten Abende in Segestes’ Haus auszudehnen. Dort allerdings begegnete er Sunja, die Segestes unter die Frauen und Mädchen seiner großen Sippe aufgenommen hatte. Wenn sie im Feuerschein des Herdes mit Segestes’ Tochter Thiudasnelda plauderte und spielte, musste er entscheiden, ob er sich bei dem Versuch, ihre fühlbare Gegenwart zu ignorieren, durch ständige Zerstreutheit lächerlich machen oder schlaflos zum unfreiwilligen Ohrenzeugen von Thrasas nächtlichem Vergnügen werden wollte. Vielleicht hätte er sich darüber freuen können, dem jungen Krieger einen Wunsch erfüllt zu haben, vielleicht hätte er dem Flüstern und Seufzen etwas abgewinnen können, doch bei jedem Laut spürte er die Leere in seinen Armen. Schmerzhaft wurde er gewahr, dass ein Teil seines Körpers herausgerissen worden war, dass ihm zur Vollkommenheit eine Hälfte fehlte, und dass er wusste, wo diese andere Hälfte zu finden war.
    Ungeduldig sah er dem Eintreffen des Boten entgegen, fest darauf vertrauend, dass er in wenigen Tagen seine Flucht im Schutz einer Eskorte würde fortsetzen können, zurück nach Mogontiacum oder nach Vetera, von

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