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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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gehört, und dieser kleine Dienst war das Einzige, was er dem unglücklichen Landsmann angedeihen lassen konnte, dem ersten, dem er seit Monaten begegnet war. Dem zweiten nach dem unglücklichen Trebius, der für die Einigkeit der Aufständischen sein Leben hatte lassen müssen.
    Mit einem Kübel voller Wasser aus dem nahen Bach kehrte Cinna zurück zum Schuppen, wo die beiden Pferde mit hängenden Köpfen unter dem Vordach standen und in einem Bündel Stroh schnoberten; ihr Fell war trockengerieben worden. Den Schuppen fand er leer, der notdürftige steinerne Herd war ausgefegt, und Sunja hatte Reisig und trockene Scheite aufgeschichtet.
    Gerade als Cinna sich daranmachte, die Tür instandzusetzen, kehrte sie zurück. In einem Tuch trug sie einige wild wachsende Rüben, Kräuter und sogar fünf winzige Eier. Aus ihrem Kleid zog sie mehrere Stücke vom Zunderschwamm, mit denen sie neben dem Herd niederkniete, dann entnahm sie der Tasche Thauris’ Beutel mit Feuerstein und Erz. Es dauerte nicht lange, bis sie mit diesen einfachen Werkzeugen ein bisschen Glut erzeugt hatte, mit der sie das dürre Reisig in Brand setzte. Trotz der Gefahr, die von dem beißenden Qualm ausging, trockneten sie einen Teil ihrer Kleidung, während sie, eingewickelt in mottenzerfressene Decken, die Wärme genossen.
    Es dunkelte bereits, als weiß überpuderte Holzkohlen auf dem Herd glommen, zwischen denen Sunja in einem zerbrochenen Wasserkrug gequetschten Weizen kochte, die Überreste des Kornvorrates, und gehackte Wurzeln. Bald kauerten sie schweigend bei den Kohlen und aßen mit den Fingern warmes Mus aus tönernen Scherben und tranken Wasser aus der hohlen Hand.
    Hungrig hatte Cinna eine erste Tellerfüllung verschlungen und hielt Sunja die geleerte Scherbe hin. Während sie mit einem kleineren Bruchstück Mus auf den behelfsmäßigen Teller schob, beobachtete er jede ihrer Bewegungen. Sie hatten kaum miteinander gesprochen seit jenem Ereignis, das Cinna nicht als Raub bezeichnen wollte – eher als Flucht. Nein, eigentlich schon seit ihrem Streit.
    Sunja kauerte auf ihren Unterschenkeln und mied seinen Blick. Es war ihm nicht entgangen, dass sie aus dem Stroh und den brauchbaren Decken ein einfaches Lager bereitet hatte. Nur eines. Er schöpfte mit den Händen Wasser aus dem Kübel und wusch sich das Gesicht, ein wenig ratlos, obwohl er seine Sehnsucht warm und deutlich spürte, während sie bewegungslos neben der Feuerstelle verharrte.
    Er griff nach ihrem Arm, und ihre Augen schienen zu erwachen. Seine Hand wölbte sich um ihre Wange. Sein Blick stürzte in ihre Augen.
    »Nicht wahr, deine Familie hat das Recht, mit römischen Bürgern Verträge zu schließen, Handel zu treiben und eine gültige Ehe einzugehen?«
    Ihr Gesicht glühte. Ihre Lippen zitterten, und sie schluckte hörbar.
    »Schade, dass ich kein solcher römischer Bürger bin. Nur eine Geisel der Cherusker, die nicht einmal einen Wert als Verhandlungsmasse hat. Eigentlich nichts weiter als ein halbwegs nützlicher Knecht.« Er blickte sie eindringlich an. »Verstehst du?«
    Sie schüttelte den Kopf, erst langsam, dann entschlossener, während Tränen über ihre Wangen rollten und eine silbrige Spur hinterließen. Sie straffte sich, schniefte leise, dann berührten ihre Hände seine, und sie wisperte stockend: »Ich gehöre dir doch.«
    »Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Noch kannst du vielleicht zurückkehren – wie deine Mutter.«
    »Du weißt davon?«
    »Hast du vergessen, dass ich im Haus war, als dein Vater und Thiuda ihre Freundschaft beschworen?«
    Sie kauerte vor ihm, der notdürftige Umhang klaffte vor ihrer Brust, und im matten Licht des Herdes schimmerte das helle Hemd, das sie zu ihrer Hochzeit hatte tragen sollen. Deutlich spürte er ihre kühlen Fingerspitzen an seinen Unterarmen. Er zog eine ihrer Hände an sich, küsste die Innenfläche, die ein wenig salzig schmeckte, und sprang auf.
    »Geh schlafen. Du musst morgen frisch sein. Ich werde Wache halten.«
    »Nein, nicht wieder du«, widersprach sie. »Du hast den Schlaf nötiger als ich.«
    Er blickte sie an, ihre Züge waren hart, nachdem sie entschlossen die Tränen weggewischt hatte, und er entschied, auf sie zu hören. Seine Haut kribbelte vor Müdigkeit, als er in das Stroh kroch, das muffig roch, aber trocken war und sich rasch aufwärmte.
    Weil der innere Aufruhr sich nicht dämpfen ließ, beobachtete er unter halb geschlossenen Lidern, wie sie im Zwielicht der glimmenden Kohlen saß, die

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