Der Tribun
da aus weiter gen Süden, nach Hause, Rom, Perusia. Fort von diesem regnerischen, unwirtlichen Land, seinen rohen Menschen mit ihren absonderlichen Sitten, fehlenden Wänden und wachsamen Augen. Er musste die Dummheiten lassen und verloren geben, was verloren war. Hart werden.
Früher als erwartet kehrte der Bote zurück. Segestes ließ Cinna rufen, der sich bereits auf dem Weg zu dessen Hof befand, denn die Nachricht hatte ihn vor dem Herrn der Burg erreicht. Segestes winkte ihn zu sich, um ihm eine Tasche zu überreichen. Worte waren überflüssig, Cinna hätte auch kaum eines hervorbringen können, so sehr würgte ihn der Kloß, als er die Riemen aufknotete, dann ein Päckchen versiegelter Wachstafeln ans Licht beförderte. Seine zitternden Finger rissen die Tafeln auseinander, sprengten das Siegel des stellvertretenden Statthalters der drei Gallien, des Oberbefehlshabers der Ersten und Fünften Legion, die derzeit in Vetera stationiert waren, Lucius Nonius Asprenas.
Die steile, übergenaue Handschrift des Verbanius bedeckte das dunkle Wachs. Die Linien verschwammen, wollten sich nicht ordnen. Einen tiefen Atemzug lang schloss Cinna die Augen, ehe er zu lesen begann. Erst in seinen Gedanken ergaben die tanzenden Buchstaben Sinn, Asprenas’ höflicher Gruß, sein formeller Dank an die Götter, ihn lebendig zu wissen und seiner baldigen Rückkehr entgegenzusehen, gefolgt von einer Empfehlung an Segestes. In das Wachs der nächsten Tafel war ein Ring eingebettet, ein schmaler Silberreif, der sich nicht ohne weiteres herauslösen ließ. Ungeduldig brachte Cinna die Tafel in die Nähe des Herdfeuers, erwärmte das Wachs, bis es weich wurde, und er mit schwarz verkrusteten Fingernägeln endlich das Kleinod freikratzen konnte. Es trug Asprenas’ Siegel, den Schlüssel zur Heimkehr. Hastig steckte Cinna den etwas zu weit geratenen Ring an den Finger; Asprenas’ Hände waren kräftiger als seine, mehr die Hände eines Soldaten als die eines Stabsoffiziers aus bester Familie. Thrasa klopfte ihm auf Schultern und Rücken, bis er beinahe wankte, hielt ihm dann einen Becher vors Gesicht, hieß ihn trinken, Met, der süß und ölig über die Zunge glitt. Noch betäubt von der Nachricht, ließ Cinna sich beglückwünschen und pries die Götter mit einem Trankopfer, während er unruhig hin und her ging.
Plötzlich stand Sunja vor ihm; sie war gerade eingetreten, kaum mehr als ein Schatten, eng umhüllt von einem dunklen Mantel.
»Ich werde nach Hause zurückkehren.«
Etwas an ihr verbat ihm, sie zu berühren. Ihre Augen waren ohne Licht, und sie nickte nur stumm, bevor sie den Kopf senkte und in den hinteren Teil des Hauses entwich. Thrasa hatte ihm bereits einen weiteren frisch gefüllten Becher in die Hand gedrückt – nein, diesmal war es Wein, Wein aus roten Trauben, der süßer noch und unverdünnt am Gaumen entlangrann. Ein betäubender Duft stieg in die Nase, ließ ihn fast augenblicklich schwindeln.
Beim Essen berichtete der Bote, was es Neues gab in den Gebieten, welche die Römer wieder ihrem Machtbereich einzuverleiben suchten, dünne Keile, die sie ins Land trieben, einzelne Posten, die wieder besetzt wurden, Einheiten, die Stellung bezogen, Versorgungslager einrichteten, Wege bahnten. Die Marser attackierten die Eindringlinge, die sich daraufhin fast kampflos ein Stück zurückzogen, um sich neu festzusetzen wie Zecken in einem Hundefell.
Es würde Krieg geben. Irgendwann würde das langsame, beharrliche Vorrücken der Römer Arminius und dessen Verbündete zum Handeln zwingen, sie veranlassen, die Vorposten anzugreifen und die Eindringlinge zu vernichten – und als Antwort würden große Heere ins Land einfallen wie Wespenschwärme. Dann, prahlte Segestes, würde sich zeigen, auf welcher Seite die besseren Männer kämpften, ob man sich als Freund oder Feind wiedersehen würde. Ob die Römer ihren stolzen Worten, Unterworfene zu schonen und Trotzige niederzuringen, angemessene Taten folgen lassen würden.
Cinna hatte nicht die Absicht, in den nördlichen Provinzen zu bleiben; ihn kümmerten die Neuigkeiten nur insoweit, als sie ihm einen Ausweg boten, zurück zu den sanften umbrischen Hügeln, in das hitzeflimmernde Rom, grellbunt, lärmend und schweißtreibend. Während er Segestes zutrank, dem Widersacher des Arminius, ließ der Wein die Gedanken schweben und berauschte ihn mit der Aussicht auf baldige Heimkehr.
Müde stapfte Cinna den Pfad zu seiner Unterkunft hinunter. Thrasa war im Laufe
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