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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Arme pflügten den stillen Spiegel. Liuba verfolgte ihn, er kam mit dem leichten Boot schnell voran und stellte ihn.
    Doch Cinna hielt unbeirrt auf sein Ziel zu, tauchte in das bräunliche Wasser, zwischen Lichtschlieren und funkelnden Blasen, die zur ölig trägen Oberfläche aufstiegen und seinen Weg verrieten, bis er prustend wieder auftauchte. Wo der kiesige Grund des seichter werdenden Ufers ihm die Knie schürfte, sprang er auf die Füße und stolperte zum schützenden Dickicht, als der Stecken ihn fällte.
    Noch einmal rappelte er sich auf, taumelte über den Kies. Die Beine versagten den Dienst, als er die Böschung erreichte. Er strauchelte, rutschte und fiel in das knöcheltiefe Wasser.
    Drohendes Ersticken zwang ihn, den Kopf zu heben, er rang nach Luft, als ein Schatten über ihn glitt. Eine unerbittliche Faust umschloss seinen Oberarm, schleifte ihn ungeachtet weiterer Verletzungen aufs Trockene, um ihn dort fallen zu lassen.
    »Steh auf!«
    Der Schmerz breitete sich in Wellen von der Flanke aus, wo ihn Liubas Stiefel mehr achtlos als brutal getroffen hatte. Ein zweiter Tritt, ein zweiter barscher Befehl, doch selbst unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm nur, sich auf Hände und Knie zu stemmen. Die schlotternden Muskeln versagten den Dienst, in den Schläfen hämmerte der Puls. Liuba schrie mit sich überschlagender Stimme, drohte, ihn auf die Füße zu prügeln. Unter einem weiteren Stoß brach Cinna zusammen.
    Tief in der Hülle, die Liuba zuerst mit den Fäusten, dann mit den Füßen misshandelte, verbarg er sich, geflohen vor Schmerz und Hilflosigkeit, vor Licht und Demütigung, wachsam und stumm, Sinne und Gedanken nur auf die Hoffnung gerichtet, irgendetwas möge diesem Wahnsinn ein Ende machen, und glitt langsam in jenen Zustand, in dem er das verzweifelte, allmählich nachlassende Winden des Körpers, um dem Gegner auszuweichen, das Stöhnen und Wimmern und die Übelkeit beobachtete wie den Todeskampf eines Tieres tief unten im Staub der Arena. Durch finstere Nebel nahm er wahr, dass Liuba von ihm abgelassen hatte, ahnte wütendes Streiten und die Geräusche eines Kampfes, bis etwas Großes, Schweres in der Nähe auf den weichen Waldboden plumpste.
    Leichte Schläge klatschten auf seine Wangen. Ein kalter Guss riss ihn aus der Tiefe. Mühsam durchdrangen die Blicke den Schleier, trafen Hrabans Gesicht, ein Trugbild, das zu versinken begann. Angestrengt lauschte er der fernen, eindringlichen Stimme, während er sich behutsam auf den Rücken gerollt fühlte, sich ein Arm unter seine Achseln schob.
    »Hoch mit dir, Cai!«, maulte der aus dem Dunst auftauchende Hraban. »Ich werde dich stützen, aber nicht tragen!«
    Feuer toste durch Cinnas Glieder, als Hraban ihn auf die Füße zog, zwang ihn, die Augen zu öffnen und den zermürbten Sinnen zu trauen. Die Muskeln versagten, und der Boden raste ihm entgegen.
    Hraban riss ihn zurück, und wie die mit Flachsresten gefüllte Stoffpuppe, die Saldir nach sich zog, hing Cinna in seinem Arm. Er hatte nicht die Kraft, sich aufzurichten, geschweige denn die, die er gebraucht hätte, um sich bis zum Dorf zu schleppen. Unwillig löste Hraban den Mantel von der Schulter und legte ihn dem Verletzten um, bevor er nach seinem Pferd pfiff. Der Fuchs tänzelte zwischen den Baumstämmen heran wie ein gut abgerichteter Hund, um neben seinem Herrn stehen zu bleiben, der es ihm mit einer freundlichen Zärtlichkeit lohnte. Als Hraban auf das Pferd deutete, wich Cinna zurück. Sein Unterleib krampfte sich zusammen, und er wünschte sich nichts mehr, als den Körper zusammenzufalten und still liegen zu bleiben, bis der Schmerz verging.
    »Ich werde versuchen zu gehen«, lallte er.
    Von Oberlippe und Kinn tropfte eine warme, klebrige Flüssigkeit; er wischte vorsichtig mit dem Handrücken darüber, der sich dunkelrot färbte. An dem zunächst unversehrt erscheinenden Leib entdeckte er zahlreiche dunkle Male, Quetschungen und Blutergüsse und eine verschmutzte Schürfung an der Seite, die der Stecken verursacht haben musste und die jede Berührung übel nahm. Der Magen blähte sich kalt in ihm. Mühsam bekämpfte Cinna den Brechreiz und verschluckte das sauer aufgestoßene Wasser zwischen dem Husten.
    Nach einem tiefen Atemzug nickte er, und sie setzten sich in Bewegung, das Pferd trottete hinterher. Ziellos tappte Cinna über Wurzeln und kriechendes Gewächs, das die Füße zerschnitt. Er erinnerte sich an die Schuhe, die säuberlich nebeneinander aufgereiht in der

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