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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Wagen zurückkehrte, ließ er die Blicke suchend über den Boden schweifen.
    »Was heißt das – ihren Spaß?«, rief ihm Cinna nach.
    Hraban blieb stehen. »Hast du dir schon einmal Margios Hände angesehen?«
    Ein paar narbige Fingerkuppen mit verkrüppelten Nägeln kamen Cinna in den Sinn; der stämmige Sklave hatte kaum Gefühl in den Händen und war unfähig, straff gezogene Knoten zu lösen. Dazu hielt er sich inzwischen an Cinna, dem das keine Mühe machte.
    »Sie schnappten ihn auf den Weiden«, berichtete Hraban, als Cinna zu ihm aufgeschlossen hatte. »Drei Kerle, die er dabei erwischte, als sie ein Schwein stahlen. Sie nahmen ihn mit und lieferten ihn ein paar Tage später gegen ein paar Kupfermünzen im Wehrdorf hinter den Feldern ab. Zuerst rissen sie ihm die Nägel aus. Aber das ist nicht das Einzige, was sie mit ihm angestellt haben.«
    Brüsk blieb Cinna stehen. »Warum habt ihr mir das nicht gesagt nach meiner Flucht, anstatt …?«
    »Willst du mir weismachen, das hätte etwas genutzt? Du warst doch völlig versessen darauf wegzulaufen, selbst wenn es dich das Leben gekostet hätte. Als hättest du uns damit etwas beweisen können. Glaub mir, eine tüchtige Abreibung zeigt mehr Wirkung als Worte.«
    Hraban hielt Cinnas Blick stand, obwohl seine Augen flackerten. Dann, als hätte er etwas bemerkt, wandte er sich zur Seite und sah sich nochmals um. Fiel in einen leichten Trott, um plötzlich die Richtung zu ändern. Als er die Hecken erreichte, blieb er stehen und ging in die Hocke. Vorsichtig zog er hinter einem Busch ein dunkles Bündel hervor. Auf seinen Wink hin folgte Cinna ihm.
    Hraban hielt eine geräumige Ledertasche in den Händen, öffnete die Schnalle und klappte sie auf. Süßer Blutgeruch stieg ihnen in die Nasen. Fluchend griff Hraban mit beiden Händen hinein, um zwei Enten und ein Kaninchen ans Licht zu befördern.
    »Wilderer!«, knurrte er. »Das hätte ich mir denken können. Was sonst hätte der Kerl hier zu suchen gehabt?«
    Er nahm ein leichtes Jagdmesser aus der Tasche, zog es aus der Scheide. In die Klinge waren sonderbare Zeichen eingeritzt, sich windende Schlangen, ein Keiler verknäult mit zwei Hunden. Nachdenklich blickte er auf.
    »Wenigstens weiß ich jetzt, zu wessen Leuten dieser Mistkerl gehört«, murmelte er.
    Cinna sah den Schatten der schlanken Rute als Erster. Er umrundete den Baum, hob den am Stamm lehnenden Bogen auf und den Köcher, der daneben im Laub lag. Geschickt bog er das Holz, befestigte die Sehne und zupfte prüfend daran. Etwa ein Dutzend Pfeile klapperten leise mit ihren metallenen Spitzen, als er sich den Köcher über die Schulter warf.
    »Das wird er in nächster Zeit nicht mehr benötigen.«
    Hraban hatte sich erhoben und trat ihm entgegen, starrte ihn finster an, und ein entschlossener Griff entfernte den Köcher von seiner Schulter.
    »Was ist los?«, fuhr Cinna ihn an. »Fürchtest du dich vor mir?«
    Hraban hatte sich abgewandt und ging wortlos zum Wagen, wo er Tasche und Waffen auf den Holzstoß warf. Dann sah er sich um, und seine Züge waren ungewöhnlich hart. »Wir kehren zurück.«
    *
    »Brüder sind lästig!« Unwillig zog Saldir die Stirn kraus. »Nichts als lästig.«
    Sie saß auf einer Decke, die Füße von sich gestreckt, und lehnte mit dem Rücken an einem der tragenden Pfosten des Schuppens. Auf ihren Oberschenkeln lagen die Wachstäfelchen, die sie mit einem dünnen Riemen wieder zusammengebunden hatte – zwei fehlten bereits. Ärgerlich starrte sie die Spitzen ihrer Schuhe an, ließ die Zehen ein wenig wippen. Ihr Unmut darüber, dass Liuba ihr Schreibgerät aufspürte, wo immer sie es versteckte, amüsierte Cinna. Wenn das Mädchen nicht so hartnäckig auf den Besitz dieser Täfelchen bestehen würde, hätte Liuba sie schon längst vernichtet.
    Unversehens wandte sie ihm ihr Gesicht zu. »Hast du auch Brüder?«
    Cinna stutzte. »Nein, ich hatte nur noch eine Schwester«, murmelte er und rollte einen entrindeten Zweig zwischen den Fingern.
    »Nur noch?«
    Er schleuderte das Hölzchen weit von sich ins Gebüsch. »Meine Brüder sind tot. Lucius wurde krank, und Gnaeus ist im Illyricum gefallen.«
    »Erzähl mir von ihnen – bitte.«
    »Da ist nicht viel zu erzählen. Ich kannte sie kaum. Ich war viel jünger als sie – außerdem wuchs ich in Perusia auf. Als ich nach Rom kam, war Lucius schon im Illyricum im Stabsdienst, und Gnaeus studierte in Syracusae. Bei seinem letzten Besuch hatten wir gerade genug Zeit, um darüber

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