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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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trottete er mit leichten Schritten den Hang hinunter, bis er zwischen den Holunderbüschen oberhalb des Weges verschwand.
    Cinna schwang sich auf die Ladefläche des Karrens und schlang die Arme um die Knie, um sich zu wärmen. Er hasste Hraban für das Vertrauen, mit dem er ihn hier allein und unbewacht zurückließ. Erbittert nagte er an einem abgebrochenen Fingernagel, spuckte das abgebissene Stück auf den Boden und bearbeitete den nächsten Nagel mit den Zähnen.
    Ein schleifendes Geräusch schreckte ihn auf. Vorsichtig lugte Cinna unter der Kapuze hervor und sah einen Wilden, der mit gezücktem Dolch geradewegs auf ihn zuhielt. Er schnellte vor, sprang vom Wagen. Heiß durchzuckte es seine Flanke, und er stolperte in die Hände des Fremden. Die Klinge zeichnete eine kalte Linie über seine Kehle.
    »Keine Angst«, zischte der Fremde. »Wenn du brav bist, geschieht dir nichts.«
    Ein sachter Stoß traf Cinna, wo ihn am Tag zuvor Liubas behelfsmäßiger Speer verletzt hatte, und trieb ihm die Tränen in die Augen. Fieberhaft schielte er den Hang hinunter, Hrabans Spuren nach, aber der war nirgends zu sehen. Stattdessen drohte das Messer mit jedem Atemzug ins Fleisch zu schneiden.
    Ein scharfer Geruch nach Schweiß und feuchtem Leder stach in seine Nase, und er spürte den Körper des Gegners, der ihn an sich zog und ihm den linken Arm nach hinten schraubte. Sein Nackenhaar sträubte sich unter dem heißen Atem des Fremden.
    »Deine Hände – beide!«, flüsterte der Fremde dicht an Cinnas Ohr, und ein Ruck der Klinge verbat jeglichen Widerspruch. Rauer Hanf scheuerte über eines seiner Handgelenke.
    Sein Ellbogen traf den Angreifer empfindlich in die Rippen. Flink hechtete er unter dem hochgerissenen Arm hindurch, rollte sich zur Seite und war schneller wieder auf den Füßen, als er selbst erwartet hatte. Der Fremde rannte mit dem Dolch in der Hand auf ihn zu, jede Deckung vergessend, und ehe er sich versah, warf ihn Cinna mit einem schnellen Tritt zu Boden. Schimmernd lag der Dolch im nassen Laub.
    Cinna atmete schwer und presste die Faust auf die schmerzende Prellung an seiner Seite. Erst jetzt nahm er das Blut wahr, das warm über seinen Arm rann, und sah Hraban den Hang heraufhasten. Der Fremde rappelte sich hustend auf.
    »Verfluchter Sohn einer räudigen Hündin!«, brüllte Hraban atemlos, riss ihn von den Füßen. »Hast du gedacht, du bestiehlst uns und prahlst damit vor deinen Spießgesellen?«
    Er hatte sein Messer gezogen, die Klinge fuhr dem Angreifer über die Stirn und hinterließ einen Schnitt, aus dem rasch Blut quoll. Der Fremde gab keinen Laut von sich, doch seine Augen glühten Hraban aus dem Schutz der Kapuze entgegen.
    »Raus mit der Sprache! Welchem Vater machst du Schande? Welche Burg entehrst du mit deiner Gegenwart?«
    Hraban erhielt keine Antwort. Er zerrte dem Mann die Kapuze herunter und entblößte ein hartes Gesicht und rotblondes Haar, das über dem rechten Ohr zu einem Knoten aufgedreht war. Ein rascher Schnitt zerfetzte die Hemdsärmel und zeigte dicht behaarte Arme.
    »Gut, du redest nicht. Rechtlos bist du nicht, und eigentlich ist es mir gleichgültig, welches finstere Loch dich hervorgebracht hat. Aber das hier«, er riss die Fibel an sich, die den Mantel zusammenhielt, »behalte ich!«
    Vorsichtig beobachtete Cinna sie, während er nach dem Dolch griff. Seine Hand zitterte, als er die Klinge gegen den Fremden erhob, den Hraban achtlos von sich stieß.
    »Gib ihm sein Messer, Cai!«
    Cinna zögerte; leicht und sicher lag die Waffe in seiner Hand, kaum die Länge eines Armes entfernt von dem Angreifer. Mit zwei raschen Schritten war Hraban bei ihm, entwand ihm den Dolch und steckte ihn in den Gürtel des Fremden.
    »Mach, dass du wegkommst! Und lass dich hier nie wieder sehen!«, fauchte er und verpasste ihm einen halbherzigen Fausthieb.
    Der Mann taumelte rückwärts, fing sich in einer raschen Drehung und rannte durch den Regen davon, den Hang hinunter. Als er außer Sichtweite war, wischte Hraban die Nässe von seinem Gesicht.
    »Verstehst du, dass es sinnlos ist, wegzulaufen?«, knurrte er zu Cinna gewandt. »Die Wälder sind voll von solchen Kerlen. Sie würden dich fangen und vielleicht irgendwann gegen ein tüchtiges Lösegeld zurückbringen – aber erst nachdem sie ihren Spaß gehabt haben.«
    Fröstelnd verschränkte Cinna die Arme vor der Brust, drückte dabei einen Ellenbogen gegen die schmerzende Prellung, wo das Hemd auf der Haut klebte. Während Hraban zum

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