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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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seinem Vieh darüber Rechenschaft schuldig, was er mit ihm vorhabe.
    Schöne Worte, ungeprüft.
    *
    Genüsslich streckte Liuba sich im Heck des schlanken Bootes aus, das unter seinem Gewicht zu sinken drohte. Das herbstliche Abendlicht malte Muster in die Falten seines weißen Hemdes. Er verschränkte die riesigen Hände im Nacken, ohne den Gefangenen eines Blickes zu würdigen, wohl wissend, dass er ihn damit beleidigte. Mit dem achtlosen, fühllosen Fischer konnte Cinna sich stumm verständigen, die notwendigen Handgriffe fanden sich, flossen ineinander, ergänzten sich, obwohl der triefäugige Alte den unerfahrenen Helfer mürrisch anraunzte, sooft dieser eine falsche Regung, einen Laut tat. Liuba hingegen machte keinerlei Anstalten, auch nur einen Finger zu rühren, sondem genoss den kühlen Abendhauch, während der Unfreie die Netze auslegte.
    Das erste Netz blähte sich in der trägen Strömung; Cinna nahm den langen Stecken, verdrängte den Gedanken, den müßigen Kerl damit zu erschlagen, und steuerte das sanft abgleitende Fahrzeug dorthin, wo das zweite Netz auszulegen war. Bemüht, das Boot reglos zu halten, beugte er sich vorsichtig über dessen Rand. Prüfend ließ er die Maschen durch die Finger gleiten und versenkte das Netz gewissenhaft Handbreit für Handbreit in der grünbraunen Tiefe, wo der alte Fischer den Weg der Forellen, Äschen und Schleie wusste.
    »Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass man aus einem stolzen Herrn einen gefügigen Knecht machen kann.«
    Liubas Worte, welche die Stille über dem See zerrissen, waren schwer von Hohn, doch Cinna unterdrückte den aufflackernden Zorn und setzte die einem Senatorenspross höchst unwürdige Arbeit ohne Unterbrechung fort.
    »Aber es ist eine herrliche Genugtuung, einen von euch elenden Blutsaugern tüchtig schuften zu sehen«, fügte Liuba hinzu. »Besser als der kurze Spaß des Totschiagens – obwohl deine Jungs aus einem härteren Holz geschnitzt waren. Da brauchte es mehrere Treffer, um einen zu erledigen.«
    Winzige Wellen schwappten über das aus der Tiefe steigende Bild eines Decurio mit geborstenem Helm. Wild spritzte hellrotes Blut, während ein Schwimmhölzchen nach dem anderen zitternd wieder auftauchte, den krausen Spiegel beruhigte, neue Sicht freigab auf lautlos brüllende Münder. Die geübte Kampfmaschine einer Zelle des römischen Heeres probte die Flucht nach vorn – keine Zeit für Angst –, die Pferde preschten in die Bedrohung, jäh zurückprallend vor einer Salve schlanker Wurfspieße. Wie ein Blitzstrahl traf Cinna der Schmerz im Oberschenkel. Er verlor die Herrschaft über seinen Schimmel, der sich in panischem Entsetzen zur Seite warf. Er griff nach dem Schwert an seiner Seite.
    »Mach weiter!«
    Mit einem Tritt trieb Liuba den Unfreien zur Arbeit, in der dieser innegehalten hatte, mit der Hand an der Stirn in die Tiefe starrend, überwältigt von der Sicht, die das aufgebrochene Tor bot.
    »Mach weiter!«, herrschte Liuba ihn an.
    Erregt fuhr Cinna herum, packte den ausholenden Unterschenkel des Peinigers.
    »Rühr mich nicht an!«, stieß er hervor.
    Verdutzt hielt Liuba inne; dann entriss er dem anmaßenden Knecht das Bein und verpasste ihm einen Tritt, der ihn über den Rand des Kahns schleuderte.
    Kalt schlug Wasser über ihm zusammen, drang in Mund und Nase. Er kämpfte sich aufwärts. Er hustete, nieste, geplagt von jähem Kopfweh, und schwamm zum Boot zurück. Er bekam den Rand zu fassen, als Liuba ihm grinsend auf die Finger trat, so dass er das splitternde Holz loslassen musste, um dem scharfen, knirschenden Schmerz zu entkommen. Die durchtränkte Wolle zog ihn bleiern in die Tiefe, als er nochmals versuchte, den rettenden Halt zu greifen. Wieder quetschten Liubas schwere Stiefel das Blut unter den Nägeln hervor, der Stecken, mit dem Liuba nach ihm stieß, traf seine Schulter, verfehlte knapp das Gesicht. Cinna tauchte unter dem Boot weg. Die Kälte kroch erbarmungslos unter seine Haut. Für Liuba, der im Boot kniete, schien das Ganze ein Spiel zu sein; er verfolgte den von den schweren, nassen Kleidern behinderten Gefangenen, bedrohte ihn mit dem Stecken und wich ihm aus, wenn er dem Boot nahe kam.
    Rasend vor Zorn gelang es Cinna endlich, den Riemen, der ihm als Gürtel diente, zu lösen und sich der Hose und des Kittels zu entledigen, was Liuba, der enger werdende Kreise um ihn zog, wachsam beobachtete. Pfeilschnell schoss Cinnas bis zu den Fußspitzen gespannter Körper durch die Fluten, und seine

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