Der Tribun
zu streiten, ob ich besser auch nach Syracusae oder nach Rhodos gehen sollte.« Er schmunzelte leicht. »Nicht zuletzt um ihn zu ärgern, reiste ich nach Rhodos.«
»Warum bist du weggegangen? Was wolltest du so weit weg von daheim?«
»Auf Rhodos gibt es hervorragende Schulen der Rhetorik. Ich sollte Anwalt werden, und ein Anwalt muss Richter und Geschworene überzeugen, um seinen Klienten freizubekommen.«
»Anwalt? Meinst du einen Bürgen?«
»Nicht ganz.« Er lächelte. »Wenn ein Mann vor Gericht angeklagt wird, entscheiden Richter oder Geschworene, ob er schuldig ist. Der Anwalt ist dazu da, den Angeklagten gegen die Vorwürfe der Ankläger zu verteidigen – oder auch selbst eine Anklage gegen jemanden zu führen.«
Verwirrt runzelte sie die Stirn. »Das kenne ich nicht. Als Liuba bei einer Versammlung beschuldigt wurde, einen Mann durch eine Beleidigung entehrt zu haben, ist der Bruder seiner Braut vorgetreten, um dafür zu bürgen, dass es nicht in Liubas Absicht gelegen haben kann, weil er niemals einen freien Mann entehren würde.«
Cinna presste die Kiefer aufeinander, ballte die Fäuste. »Ich verstehe«, knurrte er. »Bei einem Freien würde er es niemals tun.«
»Bitte …« Ihre Hand legte sich warm auf seinen Unterarm. »Ich wollte dich nicht verletzen … Es ist nicht richtig, was er dir antut. Auch wenn es aus Zorn geschieht über das, was deine Leute seinen Freunden angetan haben.« Ihr kleiner Daumen streichelte ihn zaghaft. »Erzähl mir von deiner Schwester. Wie sieht sie aus? Wo lebt sie?«
»Lucilla?« Er starrte ins Leere, um das Bild einer Frau mit schwarzen Locken und ebensolchen Augen aus der Erinnerung zu rufen, einer Frau, die sich bevorzugt in dunkle, wenig geraffte Kleider hüllte, um noch schlanker zu wirken, als sie ohnehin schon war. Die nicht nur ihre Fingernägel auf orientalische Art färbte, sondern sich von einer indischen Zofe Ornamente auf Oberarme, Schultern und Hals zeichnen ließ und, wie Cinna von ihrem überaus erfreuten Mann kurz nach ihrer Hochzeit erfahren hatte, auch auf den Bauch. »Sie hat einen Sohn, der so alt ist wie du.«
»Ja? Kennst du ihn? Erzähl mir von ihnen!«
»Ich … ich weiß nicht. Es ist alles … weit weg. Er lebt bei seinem Vater. Lucilla und ihr Mann vertragen sich nicht sehr gut.«
»Hat er sie verstoßen? Obwohl sie ihm einen Sohn geboren hat?«
Er sah in ihr ernstes Gesicht, überlegte, ob sie es verstehen würde, dass Lucilla, wie sie ihm noch im Sommer in einem Brief mitgeteilt hatte, sich scheiden lassen würde, entschied dann, dass es vielleicht zu viele Erklärungen erfordern würde, ehe er langsam nickte.
»Es muss bitter gewesen sein für deine Eltern – nun, da sie ehrlos ist.«
»So streng wird das bei uns nicht mehr gesehen. Lucilla zog sich auf unser Landgut zurück, so dass es kein Gerede gab.«
»Eine kluge Frau«, meldete sich eine Stimme hinter ihnen.
Cinna fuhr herum; an der Schuppenwand lehnte Hraban mit verschränkten Armen, und Cinna fragte sich, wie lange er schon unbemerkt zugehört haben mochte.
»Du hast Glück, Cai.« Hraban wies mit dem Daumen hinter sich. »Mein Bruder kam gerade von einer erfolgreichen Jagd und ist sehr gut gelaunt.«
Saldir erhob sich umständlich. »Ich werde besser gehen …«
»Bleib ruhig hier«, beschwichtigte Hraban sie. Er setzte sich auf den Boden und zog ein Knie eng an den Körper. »Ich leiste euch ein bisschen Gesellschaft. Mutter meinte, sie könne ihn für eine Weile mit den Hochzeitsvorbereitungen beschäftigen.«
»Hochzeitsvorbereitungen?« Cinnas Blick wechselte von Saldir zu ihrem Bruder.
»Du weißt nichts davon?«, staunte das Mädchen. »Liuba wird sehr bald heiraten. Die Tochter des Badwareiks.«
Wieder einer dieser unaussprechlichen Namen. »Wie soll ich es wissen, wenn mir niemand etwas sagt?«, murrte Cinna finster. »Außerdem interessiert es mich nicht.«
Grinsend nahm Hraban die Schreibtäfelchen von Saldirs Knien, klappte sie zu und auf. »Es wird diesem Wüterich sicher gut tun, eine Frau zu haben.«
»Die Frage ist, ob es ihr gut tun wird.«
Hraban unterdrückte das Lachen mit der Hand und wandte sich ab, eine Geste, die Cinnas Aufmerksamkeit weckte. Es war nicht die einzige Geste, die Hraban anders erscheinen ließ als seinen Vater und seine beiden Brüder und die Cinna an eine verlorene Vergangenheit erinnerte.
*
Als Inguiotar zurückkehrte, brachte er eine allseits mit freudiger Erleichterung begrüßte Nachricht mit: Die Hochzeit
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