Der Tribun
diesen Befehl nicht wiederholen, sein Sieg war so vollkommen, dass Cinna widerspruchslos gehorchte.
*
Am Vorabend der Hochzeit trafen die ersten Gäste ein, freie Männer jeden Alters, die auf dem Anwesen ihre Zelte auf schlugen. Alle Ankömmlinge empfing Thauris mit einem Willkommenstrunk, den der Gefangene einzuschenken hatte – eine Gelegenheit, den Gästen diesen kostbaren Besitz vorzuführen.
Bevor die Sonne anderntags über den Hügeln aufstieg, ließ Inguiotar das große Horn holen, dieses prachtvoll mit Bändern aus getriebenem Silber eingefasste, bis auf eine dünne Wand ausgehöhlte Horn eines Stieres, das von alters her im Besitz der Familie war und dem angeblich eine besondere Heiligkeit innewohnte. Während die Männer noch die beiden prachtvoll aufgezäumten Pferde begutachteten, wurde ein großes, in Wolle eingeschlagenes Bündel gebracht und zu ihren Füßen abgelegt. Liuba schlug das dunkle Tuch auseinander und legte seine glänzend geputzten Waffen frei: Schwert, Schild und Lanze, deren Beschaffenheit sogar Cinna Bewunderung abverlangte. Inguiotar winkte den ältesten Sohn zu sich, der sich ein wenig zu hastig mit dem glänzenden Schatz gewappnet hatte. Nachdem der Vater über den Rand des silbergefassten Horns hinweg einen Segen gesprochen und daran genippt hatte, übergab er das Gefäß seinem Sohn, der rasch trank, ehe er es unter den Anwesenden kreisen ließ.
Sobald der Letzte der Gäste Liuba zugetrunken und seinen Segen gesprochen hatte, rief Inguiotar nach den Pferden, die in den Hof geführt worden waren, und die Männer schwangen sich auf die bunt gezäumten Tiere – sicherlich das Edelste, was eines jeden Stall beherbergte –, dann machten sie sich auf den Weg zur Sippe der Braut.
Schon mit dem ersten Morgengrauen hasteten die Frauen zwischen Herd und Brunnen umher, buken Kuchen und Brot, kochten Säfte und bereiteten das Festmahl vor. Thauris hatte während der vergangenen Tage in einer geweihten Hütte das Brautbier gebraut, eine Aufgabe, bei der keine andere Frau außer ihren Töchtern helfen durfte. Am Hochzeitstag ihres Bruders bestand Sinjas und Saldirs Aufgabe darin, aus getrockneten Kräutern und bunten Bändern Kränze und Gebinde zu flechten, um damit Haus und Hof zu schmücken, insbesondere das Brautbett, das unter glücklichen Vorzeichen stehen sollte und Liubas Nische in den schönsten Winkel des Hauses verwandelte.
Margio fing die fettesten Gänse, wild aufflatternde, in ihrer Angst unter sich lassende Vögel, die er mit sicherem Griff aus dem Gehege holte. Dann übernahm Swintha die zappelnden Tiere, presste die runden Leiber an sich und drückte den Hals auf den Block, auf dem sonst Feuerholz geschlagen wurde. Langsam hob Margio die kleine Axt, nahm Maß, ehe er die Klinge niedersausen ließ und der Gans den Hals durchtrennte; Swintha musste die enthaupteten Tiere mit aller Kraft festhalten, da sie auch kopflos noch davonfliegen wollten. Die leblosen Körper warf sie Godareths’ Frau zu Füßen, die sie geradezu zärtlich rupfte, wobei sie mit brüchiger Stimme vor sich hin summte.
Die Herrin und ihre Töchter hatten sich indessen ins Haus zurückgezogen, um zu baden, die besten Kleider und den schönsten Schmuck anzulegen.
»Sie sind zurück!«
Margio, der am Tor Ausschau gehalten hatte, stürmte in wilder Aufregung über den Hof und schrie immer wieder die Nachricht vom Kommen der Hochzeitsgesellschaft. Aus allen Winkeln strömten die Dörfler herbei, Frauen und Gesinde. Heftig gestikulierend bedeutete Thauris Cinna, für die neuen Gäste einen Begrüßungstrunk zu beschaffen, ein Befehl, dem er unwillig folgte. Er hasste es, durch seine bloße Anwesenheit Inguiotars Eitelkeit zu dienen, und noch mehr hasste er es, Dienste zu tun, die ihn der von Neid und Feindseligkeit durchtränkten Neugier der Barbaren aussetzten.
Durch das Tor ritt Inguiotar, flankiert von seinen Söhnen – rechter Hand Liuba, der Mühe hatte, die geschmückte Braut vor sich auf dem Sattel zu halten, ein großes, kräftiges Mädchen, dessen Miene verriet, dass sie der Situation trotz schicksalhafter Unausweichlichkeit nicht gewachsen war. Cinna musterte sie, unsicher, ob ihn Spott oder Mitleid grinsen machte, während er mit Trinkhorn und Krug langsam den übrigen Bewohnern des Hofes folgte. Inguiotar winkte ihn herrisch zu sich, und er ließ sich durch die Menge der Hausgenossen schieben, welche die Reiter in respektvollem Abstand umringte. Die große Hand seines Herrn, der vom
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