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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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sollte am fünften Tag des neuen Mondes stattfinden. Die Begeisterung wandelte sich schnell in Betriebsamkeit; Haus und Hof waren herzurichten und zu putzen, das Dach sollte geflickt und im ganzen Dorf mussten Vorbereitungen getroffen werden, um Gäste zu beherbergen. Hraban entfloh dem Wirbel wenigstens für einen Tag, als er zu den Weiden aufbrach, um das von Liubas Kumpanen vertilgte Borstenvieh zu ersetzen. Und es erschien Cinna wie ein unverdientes Geschenk der Götter, dass Hraban ihm befahl mitzukommen.
    Cinna genoss den Ausflug, der sie in ein ausgedehntes Tal führte, wo Inguiotars Sippe fruchtbares Land besaß, das für den Anbau von Getreide bestimmt war. Die Weiden lagen einige Meilen entfernt, hinter den jetzt brach liegenden Feldern in lichtem Wald, wo das Vieh im Sommer geschützt vor der Hitze weidete. Inguiomers holte dort gelegentlich Käse und Butter; nur für die tägliche Milch blieben zwei Kühe das ganze Jahr auf dem Hof.
    Hraban, der seinen Fuchs ritt, während Cinna zu Fuß gehen musste, war diesmal wachsam; er gestattete dem Gefangenen, sich frei zu bewegen, und beschäftigte sich vorwiegend damit, die Gegend zu erkunden, als fürchte er weitere unliebsame Besucher wie den Wilderer.
    Das Vieh weidete zwischen jungen Eichen und einzelnen Apfelbäumen, deren zartes Grün die Tiere ebenso gerne fraßen wie das Gras unter ihren Hufen. Der Hirte freute sich maßlos über den Besuch und schwatzte unentwegt und ohne auf eine Antwort zu warten, während sie das größte und fetteste Schwein aus der Herde wählten, das mit einer langen Gerte heimwärts getrieben werden sollte.
    Mit der Wachsamkeit eines gefangenen Tieres gewahrte Cinna jede Regung des Bewachers, der ihn nur um eine Handbreit überragte, also für hiesige Verhältnisse von zierlichem Wuchs war. An Kraft konnte er es mit Hraban nicht aufnehmen, doch er kannte seine wiedergewonnene Geschmeidigkeit und Ausdauer. Wenn es ihm gelang, Hraban zu überrumpeln, sich auf das Pferd zu schwingen und in die Wälder zu fliehen, stünde vielleicht nichts mehr zwischen ihm und der Rückkehr in die Sicherheit der Standlager, nach der sein wild klopfendes Herz in diesem Augenblick dürstete wie schon lange nicht mehr. Er schob den Gedanken an Margios verkrüppelte Fingerkuppen beiseite. Wenn er ein Pferd hätte, ein Pferd und eine Waffe, dachte er. Alles war besser, als in diesem Loch hausen, diesen aufständischen Barbaren dienen zu müssen, ihnen ausgeliefert zu sein. Die Galle brannte in seiner Kehle.
    Das Schwein wühlte hungrig in einem Laubhaufen; Cinna gab vor, es nicht weitertreiben zu können. Hraban lenkte den Fuchs neben ihn, seine Schenkel streiften den Arm des Gefangenen, während er das Schwein mit pfeifenden Hieben aus dem Unterholz scheuchte. Dabei lehnte er sich unvorsichtig weit vornüber, eine Gelegenheit, die Cinna zu nutzen wusste. Ein rascher Stoß brachte den Reiter aus dem Gleichgewicht, und als Hraban stürzte, sprang Cinna auf den Pferderücken, presste die Schenkel um die Flanken des erschrockenen Tieres, das wild davonsetzte.
    Ein Pfiff zerriss die Luft. Der Fuchs warf sich auf der Hinterhand herum, sein Hals prallte gegen Cinnas Nase. Benommen verlor er den Halt auf dem tänzelnden Pferd. Sein Körper prallte gegen einen Baumstamm, was ihm den Atem raubte.
    Hraban heranrennen zu sehen weckte seine Lebensgeister, Angst beflügelte die Kräfte. Er schleuderte den Stärkeren mit einem Fußtritt von sich, wollte fliehen, woran ihn ein knirschender Schmerz im Rücken hinderte. Wieder war Hraban über ihm, presste seine Arme zu Boden, umklammerte seinen Körper mit harten Schenkeln, hockte auf ihm wie ein Raubtier. Vergeblich bäumte sich Cinna gegen Hrabans Gewicht und Stärke auf, bis er erbittert über das Versiegen seiner Kräfte zusammensank.
    Hraban verminderte den Druck; seine Miene wirkte gar nicht beunruhigt, und ein feines Lächeln kräuselte seine Mundwinkel.
    »Was hattest du vor?«
    »Spielt das eine Rolle?«, fauchte Cinna, dem der Herzschlag in kurzen Stößen schier die Brust sprengte.
    Das Lächeln breitete sich leuchtend über Hrabans Gesicht aus. Langsam erhob er sich, wandte dem Gefangenen kopfschüttelnd den Rücken zu und begab sich zu dem unruhig schnaubenden und umhertänzelnden Pferd, das er mit wenigen sanften Worten beruhigte. Er nahm die Zügel, sprang auf das Pferd, und es schien, als wollte er Cinna zurücklassen. Nur einen kurzen Blick warf er über die Schulter. »Komm schon!«
    Hraban musste

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