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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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vertrieben?«
    »Mich hat niemand gefragt – wie so viele andere auch. Ihr werdet eure Gründe gehabt haben. Und jetzt wollen deine Worte aus einer Meuterei eine Heldentat machen.«
    Liubas Miene versteinerte, und er ballte die Fäuste auf der Tischplatte. Langsam beugte er sich vor, um seinem Bruder einen erbosten Blick zuzuwerfen.
    »Hast du nicht als gut bezahlter Centurio mit deinen Leuten gegen die Dalmater gekämpft?«, fuhr Hraban eisig fort. »Mit der lohnenden Aussicht, deiner Familie das römische Bürgerrecht zu verschaffen, Iulius Herivacarus?«
    Knallend zerbarst die Schale auf dem Tisch. Harjawakrs war mit einem Satz auf den Füßen. Seine Hand war an seine Seite gefahren, wo er gewohnt war, Schwert oder Dolch zu finden. Doch Inguiotar hatte zuvor auf den Frieden des Hauses hingewiesen, was alle Gäste verpflichtet hatte, vor der Tür die Waffen abzulegen. Auch Hraban war aufgesprungen und lehnte sich herausfordernd über den Tisch. Das Lärmen erstarb, Geflüster huschte durch die Reihen, dann Stille.
    Langsam erhob Inguiotar sich. Er hatte mit dem Vater der Braut auf dem Ehrenplatz zu seiner Rechten einen Blick gewechselt und schüttelte nun bedächtig den Kopf.
    »Entscheidet euren Streit draußen!«
    Er erhob sich, nahm an der Tür aus Thauris’ Hand seinen weißen Schwertgurt und trat hinaus, gefolgt von den Gästen, denen sich die Frauen anschlossen. Mitten auf dem Hof zog er mit der Spitze des Schwertes einen weiten, deutlich sichtbaren Kreis im Lehm. Aufgeregt schnatternd drängten die Frauen sich an die undurchdringliche Mauer, welche die Männer um diesen magischen Ring gebildet hatten, während die beiden Kontrahenten sich ihrer Hemden entledigten.
    Kaum hatte Inguiotar den Wettkampf mit einem Wink eröffnet, da warf Hraban sich auf den Widersacher, der wesentlich kräftiger war als er, ein flinker Schatten, der abgeschüttelt wurde, dumpf auf den harten Boden prallte. Sunja stand neben der Mutter, kaum einen Schritt von Cinna entfernt, und umklammerte deren Handgelenk. Ihr Gesicht war unnatürlich bleich und vom zuckenden Licht der Fackeln gespenstisch belebt. Ihre Blicke folgten jeder Bewegung der Streiter, und auf ihren Zügen spiegelte sich Hrabans Kampfglück. Immer wieder musste Cinna den Blick von ihr reißen, und er vermisste die goldene Halskette, die sie zuvor mit so viel Stolz getragen hatte.
    Hraban stürzte ein weiteres Mal, überschlug sich. Abwehrend riss Sunja die Rechte hoch, bedeckte den Mund, als müsse sie einen Schrei unterdrücken. Mühsam rappelte ihr Bruder sich auf, die glitzernden Augen auf den Gegner geheftet, während sie ihre Fingernägel zerbiss. Die jungen Männer belauerten und beschimpften einander. Hraban packte den Gegner beim Gürtel, klammerte sich daran, während dessen Fäuste auf seinen Rücken niedergingen wie Hagelschauer. Sie fielen zu Boden, gefährlich verkeilt, die Umstehenden stöhnten auf. Blut leuchtete auf Hrabans Gesicht.
    Ein Raunen lief durch den Ring. Cinna bemerkte, dass Sunja zitterte, dass sie schnell und stoßweise atmete, während sie den Arm ihrer Mutter ergriff. Weit mehr als der Zweikampf bannte ihn die Nähe der jungen Frau, die Erinnerung an ihre warme, glatte Haut, die noch immer in seinen Händen glühte. Der fremde Krieger traf Hraban mit der Faust, warf sich auf ihn, dass beide erneut stürzten. Er hockte auf Hrabans Brust, in der Faust Haarbüschel des Gegners, der sich nicht mehr wehrte, und ließ dessen Schädel – ein Wunder, dass er noch bei Besinnung war! – wie einen Sack auf den harten Boden prallen.
    Mit einem erstickten Schrei hatte Sunja sich an die Brust ihrer Mutter geflüchtet, die wie gelähmt verharrte, während der Sieger sich von den Anwesenden feiern ließ. Dann schob sie die Tochter in Swinthas Arme und eilte zu ihrem Sohn, sank neben ihm auf die Knie.
    Hraban hatte Mühe, wieder zu sich zu kommen. Auf den Arm gestützt schüttelte er den Kopf, spuckte Blut aus, wischte Blut von der Nase und verschmierte es dabei im Gesicht. Eine der Frauen brachte ein nasses Tuch, mit dem sie ihn reinigten. Doch er wehrte ihre Hände ab, rappelte sich ohne Hilfe der Mutter auf und stolperte zu seinem Widersacher. Die Anerkennung, die er ihm entbot, wurde von Harjawakrs mit abweisender Würde entgegengenommen.
    Die Gäste kehrten ins Haus zurück, wo sie ihre Plätze einnahmen, zu den Schalen griffen und nach dem Mundschenk brüllten. Lärmend erörterten sie den Verlauf des Kampfes, ließen den Sieger hochleben und

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