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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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befeuchtete er die Lippen; er beneidete das Pferd.
    Ihr Körper straffte sich, sie riss den Blick los und entzog ihm ihre Hand, als sich Schritte näherten. Inguiotar brummte ein Lebewohl, und ein letzter Strom mütterlicher Ermahnungen ergoss sich über sie. Cinna war zurückgewichen und hielt die Wärme ihrer Berührung in der Faust gefangen. Immer wieder schob sie eine widerspenstige Locke unter die Kappe, immer wieder drängte das feine Haar heraus. Thauris versuchte erfolglos, es unter den hochgebundenen Flechten zu verstecken, nahm schließlich das Messer vom Gürtel und reichte es der Tochter, die das störende Nichts abschnitt und fallen ließ.
    Schwerelos schwebte die Locke herab, während Sunja zwischen ihren Brüdern zum Tor ritt, und wie ein schlafender Fisch von der Strömung ins Netz gelenkt wird, sank das leichte Kleinod in Cinnas ausgestreckte Hand.

X
    Sunjas Weggang hatte eine tiefe Lücke hinterlassen. Als begabte Weberin ersetzte Gunthis mit doppeltem Eifer die fehlende Arbeitskraft, und während ihre Scheu Liuba gegenüber von Tag zu Tag zu wachsen schien, widmete sie sich immer fleißiger ihrem Tagewerk. Vergeblich bemühte sie sich, Saldir in die Kunst der Tuchherstellung einzuführen, doch als spät geborene Tochter, deren Aufsicht nie jüngere Geschwister anvertraut gewesen waren, tat sie sich schwer mit dem Mädchen. Saldirs Gewebe waren starr und hart und eigneten sich nur dazu, durch mühseliges Walken in spröden Filz verwandelt zu werden. Wenig erfolgreich verbarg Saldir sich mit ihren Wachstäfelchen auf den Trockenböden vor der Schwägerin; deren Versuche, ihr dieses liebste Spielzeug wegzunehmen, scheiterten allerdings an Thauris. Dennoch war nicht zu übersehen, dass Gunthis von ihrem Mann den Auftrag hatte, Saldir unter ihre Fittiche zu nehmen und sie von dem Gefangenen fernzuhalten, und in dieser Aufgabe schien sie endlich ein wenig aufzublühen.
    Seitdem die Brüder zurückgekehrt waren, schwelte zwischen ihnen eine stumme Zwietracht. Liuba war früher eingetroffen als Hraban, mit finsterer Miene und geballten Fäusten, hatte grußlos das Haus betreten und sich bald darauf wieder fortgemacht. Hrabans Ankunft fiel zwar ein wenig sonniger aus, doch auch er hielt sich bedeckt und sprach lange mit dem Vater, wobei Cinna sie zwar beobachten, aber nicht belauschen konnte. Also kümmerte er sich wie befohlen um die Pferde. Eigentlich ging es ihn nichts an, was die Brüder entzweite, doch alles, was sie betraf, konnte unabsehbare Folgen für sein eigenes Schicksal haben. Während er Mähnen und Schweife kämmte, zottiges Winterfell abrieb und Hufe auskratzte, schwirrten seine Gedanken um ihn wie Fliegen, und gelegentlich ertappte er sich dabei, dass er mit den Händen wedelte, als könne er sie damit vertreiben.
    »Ich hätte nie gedacht, dass Sunja uns allen so fehlen würde«, murmelte Hraban hinter ihm. »Es ist, als hätte das Haus einen Teil seiner Seele verloren.«
    Cinna hatte ihn nicht kommen hören, umso deutlicher nahm er die im nachlässig geflickten Halssaum seines Hemdes verborgene Locke wahr, während er schweigend den wolligen Rücken des Fuchses abrieb. Zehn Tage waren vergangen, seitdem Sunja das Dorf – oder wie die Bewohner sagten: die Burg verlassen hatte.
    »Ihr Onkel wird auf sie aufpassen, bis Arminius begriffen hat, dass er uns auf diese Weise nicht auf seine Seite bringen kann.«
    »Auf welche Weise?«, fragte Cinna betont teilnahmslos.
    »Einer seiner Leute will Sunja zur Frau nehmen – und wenn wir sie ihm nicht freiwillig gäben, würde er sie sich holen, hieß es.«
    »Als Sklavin?«
    »Nein, als Ehefrau. Das würde ein Band zwischen diesen Leuten und uns schaffen.«
    Cinna blies sich die feinen Haare aus dem Gesicht. »Sonderbare Sitten habt ihr …«
    »Vater hat das auch getan. Er holte Mutter aus dem Haus ihres Vaters, weil dieser sie ihm nicht geben wollte.«
    »Und ihre Familie hat sich das gefallen lassen?«
    Auf Hrabans Gesicht erschien ein Grinsen. »Wenn es stimmt, was Vater sagt, dann waren sie ziemlich wütend. Sie kamen, um diese Burg zu belagern. Aber Vater hatte Thauris nicht mit Gewalt genommen, sondern ihr die Entscheidung überlassen. Zehn Tage musste er warten, dann ist sie hinausgegangen zu ihren Leuten, um Frieden und ein gutes Bündnis zu stiften.«
    Langsam umrundete er den Fuchs, tätschelte den Hals des Pferdes und blieb zufrieden nickend neben Cinna stehen. »Ein bisschen Bewegung würde ihm gut tun.«
    Cinna ließ das

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