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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Zuvor hatte Hraban Cinna angewiesen, sich um den Fuchs zu kümmern, ihn abzusatteln und trockenzureiben. Und sich vom Haus fern zu halten.
    Der Fuchs machte wenig Mühe; er genoss die freundliche Behandlung, ließ sich bereitwillig die Hufe auskratzen und das wollige Winterfell striegeln. Noch während Cinna den Schweif bürstete, hörte er Saldirs leisen Jubel. Sie rannte quer über den Hof zu ihm, in den Händen einen kleinen Gegenstand, dessen Besitz sie so sehr begeisterte, dass ihre Augen leuchteten.
    »Schau her! Ich habe einen Griffel bekommen, einen richtigen Griffel! Fünf Asse wollte Balor dafür haben – bezahlt haben wir ihm zwei.« Sie lachte leise. »Schau, ich kann damit das Wachs wieder glatt streichen.«
    Sie tippte auf die fächerartige Rückseite des dünnen Bronzestiftes, wobei sie ein Gesicht zog, als hätte er so etwas noch nie gesehen.
    »Halt ihn kurz fest, Cai – aber lass ihn ja nicht fallen!«
    Er lächelte belustigt, während sie einen dünnen Lederriemen aus einer Tasche an ihrem Gürtel fingerte. Dann nahm sie ihm schnell den neu erworbenen, kostbaren Schatz wieder ab und versuchte, den Riemen in die feine Öse einzufädeln.
    »Ich muss ihn immer bei mir tragen, damit Liuba oder Gunthis ihn nicht finden.« Rasch blickte sie auf. »Du kannst dir nicht vorstellen, was sie für ein Gesicht machte, als Mutter mir diesen Griffel schenkte. Sie haben sich richtig gestritten.«
    »Hoffentlich ist sie nicht leer ausgegangen«, murmelte Cinna.
    »Nein, nein, für ein Paar Ohrringe hat es gereicht – und die waren sogar teurer als mein Griffel!«
    »Haben sie über irgendetwas gesprochen, das wichtig sein könnte … für mich?«
    »Nein.« Saldir sah ihn aufmerksam an. »Es tut mir Leid. Ich hoffe, dass Balor Unrecht hat.«
    »Dass ich für tot gelte? Das wundert mich nicht.«
    »Du gehörst doch gar nicht zu diesen drei Legionen. Du kamst doch von Mogontiacum und solltest einen Verräter aufsuchen, sagte Liuba.«
    Cinna strich dem Fuchs über die Nase und schob den großen Pferdekopf zur Seite; ein leichter Klaps setzte das Tier in einen geschmeidigen Trab.
    »Ich hoffe, dass mein Vater nicht aufgibt. Er würde ein hohes Lösegeld zahlen, schließlich bin ich der letzte Sohn, der ihm geblieben ist.«
    »Ich denke, das weiß auch mein Vater«, sagte sie und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Ich werde wieder gehen. Vielleicht haben sie noch nicht den ganzen Kuchen aufgegessen, dann kann ich dir etwas aufheben.«
    Bevor er etwas erwidern konnte, wirbelte sie herum und rannte zum Haus zurück.
     
    Den Mantel eng um den Leib gezogen, kauerte Sunja auf der Bank hinter dem Haus. Sie hielt etwas auf ihrem Schoß und beugte sich schützend darüber. Auf ihrer Stirn lagen schattenhaft zwei senkrechte Falten, als ein leiser Windstoß die Kapuze von ihrem Kopf wehte. Cinna huschte hinter das Haus zurück und hielt den Atem an. Sie las. Nicht nur, dass sie seine Sprache sprach, sie hatte eine Papyrosrolle in ihren Händen, etwas, das die Aufregung, die seit der Abreise des Händlers aus ihren Augen leuchtete, erklärte. Als eine weitere Böe den Papyros in ihren Händen wie ein Segel blähte, rollte sie ihn fester ein.
    Er blinzelte über den Rand des tief reichenden Strohdachs hinweg, in der Hoffnung, vielleicht einen erhellenden Blick auf die Papyrosrolle werfen zu können. Doch sie saß viel zu weit entfernt, und so zermarterte er sich den Kopf mit Vermutungen.
    Immer wieder schaute sie sich um, als spürte sie, dass sie beobachtet wurde. Zugleich frischte der Wind auf, dass der Papyros in ihren Händen flatterte. Stirnrunzelnd ließ sie die Rolle zusammenschnappen und erhob sich. Als sie sich in Cinnas Richtung aufmachte, wich er rasch einige Schritte zurück.
    Sie umrundete das Haus und stutzte, als sie ihm plötzlich gegenüberstand, schob das Buch unter ihren Mantel und wollte mit vor der Brust gekreuzten Armen an ihm vorbeieilen. Überdeutlich nahm er den beißenden Geruch des Schweißes wahr, der seiner Kleidung anhaftete, da traf ihn ein schneller Blick.
    Ihre Miene verriet Unsicherheit; rasch wandte sie sich ab, während ihm noch das Blut in die Wangen schoss bei dem Gedanken, welch schäbige Figur er abgab. Ein zweites Mal schaute sie ihm ins Gesicht, und ihre Furcht verlieh ihm die nötige Ruhe, dass er sie sogar mit einer leichten Neigung des Kopfes grüßen konnte.
    »Es ist das vierte Buch der Aeneis«, murmelte sie. »Eine schlechte Abschrift. Die einzige, die aufzutreiben war.«
    »Darf

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