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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Metcalfe bereits im Restaurant war. Er ging an den in langer Schlange wartenden Russen vorbei, die ihn der Kleidung nach als Ausländer einschätzten, dem das Recht zugebilligt wurde, gleich nach vorn an die Spitze der Warteschlange zu gehen. Ein Mann steckte den Kopf ins Freie und winkte Metcalfe herein, ohne ihn auch nur nach seinem Namen zu fragen. Um eingelassen zu werden, brauchte er nicht einmal seinen amerikanischen Pass vorzuzeigen; es genügte, dass er dem Oberkellner, einem merkwürdig aussehenden langhaarigen Mann, der zu einem mit Goldlitze besetzten Gehrock spitze Schuhe trug, einen Zwanzigdollarschein in die Hand drückte. Vervollständigt wurde die Aufmachung des Langmähnigen durch einen altmodischen Kneifer, dessen schwarzes Satinband um seinen Hals lag.
    Der Oberkellner geleitete ihn an einen Zweiertisch auf einer kleinen Empore über dem Hauptrestaurant. Unten spielte eine Kapelle georgische Liebeslieder. Als Vorspeise gab es ofenwarmes Bauernbrot, gute Butter und grauen Kaviar. Metcalfe aß heißhungrig und trank dazu mehrere Gläser des stark kohlensäurehaltigen und nach Schwefel schmeckenden georgischen Mineralwassers Borschomi. Als der merkwürdige Oberkellner zum dritten Mal vorbeikam, um seine Bestellung aufzunehmen - diesem Amerikaner gegenüber, der wahrscheinlich ein großzügiges Trinkgeld in Dollars, nicht in wertlosen Rubeln geben würde, war er besonders aufmerksam -, beschloss Metcalfe, schon mal für Roger mitzubestellen. Sein Freund war offenbar durch etwas Wichtiges aufgehalten worden. Kam Scoop dann in seiner unnachahmlichen Art hereingeschlendert, um von irgendeinem Erfolg zu berichten, den er erzielt hatte, würde wenigstens sein Essen auf dem Tisch stehen. Metcalfe bestellte mehr, als sie beide hätten essen können: saziwi und Schaschlik und Beefsteak und Fasan.
    Die Kapelle begann das georgische Lied »Suliko« zu spielen, an das Metcalfe sich von seinem letzten Moskauaufenthalt erinnerte. Er assoziierte es mit Lana, wie er überhaupt vieles in Moskau mit ihr verband. Sein Kopf war voller Erinnerungen an sie, voller Gedanken über sie; das ließ sich nicht ändern. Und er konnte nicht an sie denken, ohne bedrückende, quälende Schuldgefühle zu empfinden. Er hatte sie gewissenlos manipuliert, damit sie das tat, was er von ihr wollte. Corky hatte einen atemberaubend kühnen Plan entworfen, der eine Zwischenträgerin erforderte, die nur Lana sein konnte. Gelang dieses Vorhaben, würde es den Gang des Krieges verändern. Und noch mehr: Es würde die Geschichte verändern. Was bedeutete das Schicksal eines Einzelnen schon im Vergleich zum Schicksal der Welt? Aber so konnte Metcalfe die Sache nicht sehen; diese Denkweise führte in die Tyrannei. Das glaubten auch Hitler und Stalin: Das Schicksal der Massen war wichtiger als die Rechte des Einzelnen.
    Und Metcalfe liebte Lana. Das war die nackte Wahrheit. Er liebte diese Frau, litt unter ihrer Notlage, er bedauerte die schlechten Karten, die sie vom Schicksal erhalten hatte. Er wollte sich am liebsten einreden, wenn Corkys Plan gelinge, seien auch sie und ihr Vater frei. Aber er wusste, dass die Risiken gewaltig waren. Alles Mögliche konnte schief gehen. Sie konnte geschnappt werden und würde dann bestimmt hingerichtet werden - eine Möglichkeit, die zu schrecklich war, als dass er darüber nachdenken wollte.
    Ein nochmaliger Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm zu seiner Überraschung, dass es schon 19.58 Uhr war. Er stand von seinem Tisch auf und machte sich auf den Weg zur Herrentoilette.
    Amos Milliard war bereits dort, als Metcalfe hereinkam. Er wusch sich an einem Waschbecken die Hände.
    Bevor Metcalfe etwas sagen konnte, legte Hilliard einen Zeigefinger an die Lippen und deutete auf eine geschlossene WC-Kabine. Metcalfe sah hin und erkannte unter der Tür ein Paar russische Schuhe, über denen eine russische Hose wie eine Ziehharmonika zusammengefallen war. Im ersten Augenblick wusste er nicht recht, was er tun sollte; keiner der beiden Männer war auf diese Möglichkeit vorbereitet. Er trat an eines der Urinale und erleichterte sich. Hilliard wusch sich weiter die Hände und behielt die geschlossene WC-Kabine im Spiegel im Auge.
    Metcalfe betätigte die Wasserspülung. Der Russe blieb jedoch weiter in der Kabine. War das nur ein Zufall? Metcalfe neigte zu dieser Ansicht. Er trat ans Waschbecken neben Hilliard, der sich weiter die Hände einseifte, suchte den Blick des Diplomaten im Wandspiegel und zog fragend die

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