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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Schüssler gesprochen hatte.
    »Sie vielleicht?«, schoss Metcalfe zurück.
    Litwikows blasses Gesicht lief rot an. Er starrte auf die Tischplatte, spielte mit seinem alten Federhalter und tauchte ihn ins Tintenfass, jedoch ohne etwas zu schreiben. »Ist das Ihre Sorge?«, fragte er schließlich. »Dass wir in Zukunft bevorzugt mit den Deutschen Handel treiben werden?«
    »Weshalb fragen Sie mich das? Sie haben mir doch versichert, dass Sie alles sehen und alles wissen.«
    Der Kommissar schwieg erneut einige Sekunden lang. Dann nickte er seinem Büroleiter zu. »Iswinitje!«, blaffte er, womit der andere entlassen war.
    Nachdem der Mann hinausgegangen war, ergriff Litwikow erneut das Wort. »Was ich Ihnen jetzt erzähle, Metcalfe, würde ausreichen, um mich verhaften, vielleicht sogar hinrichten zu lassen. Ich übergebe Ihnen diese Waffe in der Hoffnung, dass Sie sie nicht gegen mich richten werden. Aber ich möchte, dass Sie meine Situation ... unsere Situation verstehen. Und sobald Sie das tun, sind Sie vielleicht eher zur Kooperation geneigt. Ihrem Bruder vertraue ich seit vielen Jahren; Sie kenne ich weniger gut, aber ich kann nur hoffen, dass Sie ebenso vertrauenswürdig sind - und so diskret, wie Sie zu sein behaupten. Denn hier steht nicht nur unser Außenhandel, sondern das Leben meiner Familie auf dem Spiel. Ich bin Familienvater, Mr Metcalfe. Mit Frau, Sohn und Tochter. Sie verstehen, was ich damit sagen will?«
    Metcalfe nickte. »Ich gebe Ihnen mein Wort.«
    Litwikow tauchte seinen Federhalter erneut ins Tintenfass und begann jetzt, auf dem vor ihm liegenden Notizblock herum-zukritzeln. »Wie Sie wissen, hat meine Regierung letztes Jahr im August, vor etwas über einem Jahr, einen Nichtangriffspakt mit Deutschland geschlossen. Noch am Tag vor seiner Unterzeichnung hat die Prawda einen nazikritischen Artikel über die Behandlung von Polen in Deutschland gebracht. Stalin und alle unsere Führer hatten jahrelang gegen Hitler und die Nazis polemisiert. Unsere Zeitungen waren voller Berichte über die schrecklichen Nazis. Aber seit jenem 23. August 1939 hat das alles schlagartig aufgehört! Keine Artikel gegen die Nazis mehr. Keine Tiraden gegen die Nazis mehr. Eine vollständige Kehrtwendung. Das Wort >Nazismus< ist aus unserer Presse verschwunden. Prawda und Iswestija zitieren jetzt wohlwollend aus Hitlers Reden! Sie zitieren aus dem Völkischen Beobachter.« Litwikows Gekritzel war zu waagrechten Hin-und-her-Strichen geworden, die jetzt zu einem Tintenklecks zusammenflossen. »Glauben Sie, dass das für uns, für das russische Volk einfach ist? Glauben Sie, dass wir auf Befehl vergessen können, was wir über die Gräueltaten der Nazis gehört und gelesen haben?«
    Und was ist mit Stalins Gräueltaten?, dachte Metcalfe, ohne diesen Gedanken auszusprechen. Mit den bei seinen Säuberungen deportierten und gefolterten und ermordeten Millionen?
    »Natürlich nicht«, sagte er. »Aber das ist eine Frage des Überlebens, stimmt's?«
    »Sucht ein Kaninchen Schutz bei einer Anakonda?«
    »Und die Sowjetunion wäre das Kaninchen?«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr Metcalfe. Werden wir angegriffen, kämpfen wir bis zum Tode - und das ist dann nicht nur unser Tod. Greift man uns an, werden wir mit bisher nie gesehener Verbissenheit kämpfen. Aber wir haben kein Interesse daran, in andere Länder einzufallen.«
    »Erzählen Sie das den Polen«, sagte Metcalfe. »Sie sind am Tag nach der Vertragsunterzeichnung mit Deutschland in Polen einmarschiert, stimmt's? Erzählen Sie das den Finnen.«
    »Wir hatten keine andere Wahl!«, widersprach der Russe aufgebracht. »Das waren reine Defensivmaßnahmen.«
    »Ah, ich verstehe«, sagte Metcalfe, der mit seinem Argument gepunktet hatte.
    »Mein Land hat keine Freunde, Mr Metcalfe. Das müssen Sie begreifen. Wir sind isoliert. Der Vertrag mit Deutschland war kaum unterzeichnet, als wir zu hören bekamen, England fühle sich verraten! England behauptete, es habe uns >umworben<, um uns als Verbündete gegen Hitler-Deutschland zu gewinnen. Aber wie hat es uns denn >umworben