Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
seinem Inneren gab es eine dreigeschossige Arkade, die an einen um die Jahrhundertwende gebauten Londoner oder Pariser Bahnhof erinnerte; dort wimmelte es von Kauflustigen, die in den Hunderten von Abteilungen herumstöberten. In krassem Gegensatz zu der prunkvollen Architektur war das Warenangebot in den Regalen jedoch dürftig.
    In Kombination mit unzähligen Nischen und Winkeln, Treppen und Passagen bot das geschäftige Treiben Metcalfe ideale Voraussetzungen, um etwaige Beschatter abzuhängen. Mit seinem Pappkoffer in der Hand machte er in verschiedenen Abteilungen Halt und begutachtete die Schallplatten, die Parfüms, den scheußlichen Modeschmuck, die Bauernschals. Die Menge umschloss ihn, verschluckte ihn, machte die Aufgabe eines Beschatters nahezu unmöglich. Dass ein amerikanischer Geschäftsmann das berühmteste Kaufhaus Moskaus besuchte, war jedenfalls weder verdächtig noch außergewöhnlich, und sein schmaler Koffer konnte recht gut Geschäftsunterlagen enthalten. Er folgte der Menge über eine Eisentreppe in den ersten Stock hinauf und konnte von der Empore aus rasch das Erdgeschoss überblicken. Dort unten war niemand, der wie ein typischer NKWD-Agent aussah.
    Metcalfe sah eine Eckabteilung, die zwei Zugänge hatte, betrat sie und begutachtete scheinbar sehr interessiert die ausgestellten Holzspielsachen und kunstvoll bemalten, ineinander gesteckten Matrjoschka-Puppen. Er nahm eine der Puppen in die Hand, zog die obere Hälfte ab und sah nun die darin steckende Puppe. Insgesamt waren in der äußeren Hülle sechs immer kleinere Puppen versteckt. Dies war ein schönes Beispiel für russische Volkskunst, das Lana vielleicht gefallen würde. Außerdem war es eine gute Idee, das wusste er, etwas zu kaufen, um einen Vorwand für sein Hiersein zu haben. Während er in einer Schlange wartete, um seinen Einkauf zu bezahlen, und dann nochmals anstand, um ihn in Empfang zu nehmen - die sowjetische Bürokratie hatte selbst die Moskauer Geschäfte erobert! -, sah er sich unauffällig um. Er kannte hier niemanden und konnte auch kein sichtbares Überwachungssystem erkennen.
    Nachdem er die Puppe in Empfang genommen hatte, verließ er die Abteilung auf der anderen Seite und machte dann abrupt kehrt, als habe er etwas Interessantes gesehen. Er bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Menge und stieg eine weitere Eisentreppe hinauf. Auf der dritten Ebene herrschte weniger Gedränge. Metcalfe ging rasch etwa dreißig Meter weiter und benützte dann die nächste Treppe zur zweiten Etage. Dort betrat er die Herrentoilette, in der mehrere Männer - zwei davon offensichtlich betrunken - an der Rinne standen. Er betrat eine WC-Kabine, verriegelte die Tür hinter sich und zog rasch die russischen Kleidungsstücke an, die Corky ihm hatte besorgen lassen. Das Futter der wattierten Jacke war aufgeschlitzt, aber das war von außen nicht zu sehen. Schuhe, Hose, Hemd und Jacke waren nicht nur in Russland hergestellt, sondern auch ziemlich abgetragen. So wirkten sie völlig authentisch.
    Den Geräuschen nach waren die beiden Betrunkenen gegangen; andere Männer waren hereingekommen. Das war gut. Metcalfe setzte eine hellbraune Perücke auf, die eng am Kopf anlag, und betupfte dann Kinn, Oberlippe und Augenbrauen mit Gummiarabikum; als der Klebstoff leicht angetrocknet war, setzte er den zottigen Spitzbart an. Das wäre vor dem Spiegel über einem Waschbecken leichter gewesen als auf einer Klobrille sitzend, aber wenigstens hatte er daran gedacht, einen kleinen Rasierspiegel einzupacken, um kontrollieren zu können, ob alles richtig saß. Als Nächstes kamen dichte, ungepflegt wirkende Augenbrauen an die Reihe. Unter den Augen verrieb Metcalfe etwas dunkles Make-up, das die Falten leicht betonte und ihn dramatisch altern ließ. So sah er wie ein 40-jähriger Raucher und Gewohnheitstrinker aus, wie ein Bauer, der das harte Leben der russischen Bauern gelebt hatte.
    Metcalfe betrachtete sich nochmals und war beeindruckt, wie anders er jetzt aussah. Aber er wollte nichts riskieren; er konnte noch mehr tun, und das tat er auch. Er schob Wattetampons seitlich unter die Oberlippe und staunte darüber, wie sie sein Gesicht sofort veränderten. Der abschließende Touch waren vom OSS eigens für ihn hergestellte Metallkegel mit winzigen Luftlöchern, die er sich in die Nase steckte. Sie fühlten sich anfangs kalt und unbehaglich an, veränderten aber die Form seiner Nase, machten sie flacher, mehr wie die eines typisch russischen

Weitere Kostenlose Bücher