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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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plötzlich gegen das Brückengeländer torkelte. Sein lebloser Körper kippte rückwärts darüber. Im nächsten Augenblick war zu hören, wie er ins Wasser klatschte. Kundrow hatte seinen Kameraden vom NKWD erschossen! Beide Schüsse hatten Iwanow in die Brust getroffen! Wie war das möglich?
    Metcalfe starrte Kundrow an und begriff endlich, was der Gesichtsausdruck des GRU-Offiziers besagte: Das war kein Versehen gewesen! Kundrow hatte ihn nicht verfehlt. Er hatte auf Iwanow gezielt!
    »Ich hatte keine andere Wahl«, sagte Kundrow, während er seine Pistole wieder in die Koppeltasche steckte. »Sein Bericht hätte Ihr Ende bedeutet, Swetlana Michailowna. Und das Ihres Vaters.«
    Lanas Schreie waren zu leisem Schluchzen geworden, während auch sie ihren Aufpasser anstarrte. »Das verstehe ich nicht!«, sagte sie leise.
    »Auch ein Mord kann ein Akt der Barmherzigkeit sein«, erwiderte er. »Gehen Sie jetzt! Sie müssen sofort verschwinden, Swetlana Michailowna, bevor andere kommen und die Situation noch mehr komplizieren. Schnell! Die Schüsse werden Leute anlocken. Gehen Sie nach Hause.« Aus der Stimme des GRU-Offiziers sprachen Zärtlichkeit und stählerne Entschlossenheit.
    Metcalfe rappelte sich langsam auf und zog Lana mit sich hoch. »Aber Stiwa ... mein Stiwa ... Was haben Sie mit ihm vor?«
    »Er muss Russland schnellstens verlassen«, sagte Kundrow. »Zu viele sind hinter ihm her, und für ihn gibt's kein Zurück mehr. Tun Sie jetzt, was ich Ihnen sage. Los, los, laufen Sie schon! Hier dürfen Sie nicht bleiben!«
    Lana sah verwirrt zu Metcalfe hinüber.
    »Ja«, bestätigte Metcalfe, »du musst gehen, duschka. Bitte.« Er umarmte Lana, drückte sie an sich und küsste sie. Dann schob er sie sanft von sich fort. »Wir sehen uns wieder. Nur nicht hier in Moskau. Lauf, Liebste. Lauf!«
    Noch immer verwirrt saß Metcalfe auf dem Beifahrersitz des M-1, den der GRU-Offizier als Dienstwagen fuhr.
    Mit seinem grausamen Mund und der Adlernase wirkte Kundrow wie die Arroganz in Person, als er die Limousine durch Moskau lenkte. Seine Stimme strafte sein Aussehen jedoch Lügen: Sie bewies, dass dieser Mann kultiviert und sogar feinfühlig war.
    »Vielleicht hat niemand gesehen, wie der tote Iwanow in die Moskwa gefallen ist«, sagte er, »aber das bezweifle ich. Wir können nur hoffen, dass etwaige Augenzeugen nach echt sowjetischer Manier den Mund halten, um keine Scherereien zu bekommen. Angst vor Verhören, Angst vor unangenehmen Folgen - beides bringt die Leute meistens dazu, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern. Meistens .« »Weshalb?«, unterbrach Metcalfe ihn.
    Kundrow wusste, was er meinte. »Weshalb ich getan habe, was ich getan habe? Vielleicht weil ich mir mehr aus grashdanka Baranowa mache, als ich sollte.«
    »Sie hätten mit Iwanow einen Handel abschließen können, damit er sie laufen lässt.«
    »Diese Leute lassen niemals locker. Deshalb nennen wir sie schtschelktschiki - Nussknacker. Haben sie einen erst mal zu fassen bekommen, können sie nur noch fester zubeißen.«
    »Das ist bei euch nicht anders. Bei Ihren Leuten. Das ist keine ausreichende Erklärung.«
    »Wie lautet das alte Sprichwort? >Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.< Dies ist ein geschenkter Gaul.«
    »Bei uns gibt's eine weitere Redensart, die wir von Vergil übernommen haben: >Ich fürchte die Danaer, selbst wenn sie Geschenke bringen.<«
    »Aber Sie sind kein Trojaner, und ich bin kein Grieche. Sie halten mich für den Feind, nur weil ich bei der GRU arbeite.«
    »Das ist die Realität.«
    »Vielleicht die Realität, wie Sie sie sehen. Als in Moskau tätiger amerikanischer Agent sehen Sie die Dinge natürlich in dieser Schwarzweißmanier.«
    »Nennen Sie mich meinetwegen, was Sie wollen. Sie wissen es besser.« Metcalfe sah, dass sie vor einem der Moskauer Bahnhöfe hielten.
    »Ich weiß es besser, aber wir haben keine Zeit, darüber zu diskutieren. Glauben Sie denn, dass wir sowjetischen Geheimdienstler blind sind und nicht wahrnehmen, was um uns herum vorgeht? Dass wir weniger sehen als ihr Außenstehenden? Solche Arroganz belustigt mich, denn tatsächlich seid ihr die Blinden. Wir, die wir im finsteren Herzen des Systems arbeiten, kennen die Wahrheit besser als jeder andere. Wir sehen, wie alles funktioniert. Ich hege keine Illusionen, müssen Sie wissen. Ich weiß, dass ich nur ein Schräubchen der riesigen Guillotine bin. Meine Mutter hat oft eine alte russische Maxime zitiert: >Das Schicksal stellt Forderungen

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