Der Tristan-Betrug
abgewickelt werden, wenn die gesellschaftlichen Formen gewahrt waren. Mit geschäftlichen Dingen sozusagen mit der Tür ins Haus zu fallen, war reichlich unhöflich. Aber der Deutsche erholte sich rasch. Er leitete geschickt zu weitschweifigen, leicht gönnerhaften Ausführungen über, in denen er über die Schwierigkeiten klagte, in Kriegszeiten Geschäfte zu machen. »Nur Ihre Bank und die Schweizer Nationalbank«, sagte er, »sind treue Freunde Deutschlands geblieben. Und ich versichere Ihnen, dass wir das nicht vergessen werden, wenn der Krieg gewonnen ist.«
Metcalfe wusste, wovon Gerlach in Wirklichkeit sprach: In jedem der überfallenen Länder - von Polen und der Tschechoslowakei bis zu Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden - hatten die Nazis die Zentralbanken geplündert und die Goldreserven beschlagnahmt. Die einzigen ausländischen Banken, die mit den Plünderern zusammenarbeiteten, waren die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und die Schweizer Nationalbank. Daher hatten die Nazis in Bern und Basel Tausende von Tonnen gestohlenen Goldes gehortet. Die BIZ zahlte Deutschland sogar Dividenden auf das bei ihr deponierte Gold und verkaufte es zum Teil gegen harte Devisen, die mithalfen, die deutsche Kriegsmaschinerie in Gang zu halten. Die BIZ war für die Nazis umso wertvoller, weil diese in Basel arbeitende Einrichtung unantastbar war. In der Schweiz war ihr Raub sicher. Er konnte nicht beschlagnahmt werden.
Das war empörend, und Metcalfe hörte zunehmend wütend zu, wie der geschwätzige, überhebliche Bankier davon sprach, zukünftige Zinszahlungen müssten zu Konditionen vereinbart werden, die für die Reichsbank günstiger seien, Kreditbriefe, Depotquittungen und zweckgebundene Goldreserven sollten aus London nach Basel transferiert werden, und der Umfang von Transaktionen in Goldfranken sei noch erheblich steigerungsfähig. Aber Metcalfe spielte seine Rolle, hörte bescheiden zu, notierte sich die von Herrn Gerlach genannten Punkte und versprach, sie nach seiner Rückkehr in Basel vorzutragen.
»Machen Sie mir das Vergnügen, heute Abend mit mir zu essen«, schlug Gerlach vor. »Ich muss Sie allerdings warnen -heute ist Eintopftag. Das bedeutet leider, dass alle Restaurants, sogar das Horcher, das beste Feinschmeckerlokal Berlins, einen grässlichen Eintopf servieren. Aber wenn Sie bereit sind, diese kulinarische Kuriosität zu würdigen .«
»Klingt verlockend«, sagte Metcalfe, »aber ich habe leider schon etwas vor. Ich gehe ins Ballett.«
»Ah, zum Bolschoi. Ja, natürlich. Die Russen schicken ihre hübschen Mädchen, damit sie für uns tanzen, weil sie hoffen, uns auf ihre Seite ziehen zu können.« Er lächelte humorlos. »Sollen die Russen nur für uns tanzen. Ihre Zeit kommt noch. Nun gut, Sie sind also schon vergeben. Vielleicht habe ich ein andermal mehr Glück. Haben Sie morgen Mittag oder Abend Zeit, lade ich Sie zu Horcher oder ins Savarin ein, und wir können uns an Hummer und anderen nicht rationierten Delikatessen gütlich tun - wie wär's?«
»Wunderbar«, antwortete Metcalfe. »Ich kann's kaum erwarten.«
Knapp eine Stunde später, nachdem Metcalfe den widerlichen Nazibankier endlich losgeworden war, betrat er das Foyer der Deutschen Staatsoper. Dieses unter Friedrich dem Großen Mitte des 18. Jahrhunderts im klassizistischen Stil erbaute Haus, das an einen korinthischen Tempel erinnern sollte, gehörte zu den großartigsten Opernhäusern der Welt. Gemeinsam mit dem Pergamonmuseum, dem Alten Museum und der Staatsbibliothek bildete es eine Reihe von architektonischen Wunderwerken, die mit dem Brandenburger Tor endeten.
Die nach dem Brand von 1843 erneuerte Inneneinrichtung war prächtig, das glänzende Foyer hatte einen schwarzweißen Marmorboden. Das Publikum glänzte nicht weniger und unterschied sich auffällig von den Berlinern auf der Straße. Obwohl Abendkleidung in Kriegszeiten offiziell nicht gern gesehen wurde, war das Publikum an diesem Abend festlich gekleidet: die Herren in dunklem Anzug oder Uniform, die Damen - frisch frisiert, sorgfältig zurechtgemacht und mit glitzerndem Schmuck - in Abendkleidern. Metcalfe roch französische Parfüms wie Je reviens und L'air du temps. Alle französischen Artikel, die in Paris gegenwärtig Mangelware waren, gab es hier als Kriegsbeute in Hülle und Fülle.
Im Lauf des Abends würde Metcalfe sich irgendwie mit Lana in Verbindung setzen müssen. Er hatte keine Ahnung, wie die hiesigen Sicherheitsvorkehrungen
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