Der Tristan-Betrug
sprechen. Merken Sie sich das, selbst wenn Sie sonst nichts von mir annehmen.
Er trat mit finsterer Miene einen halben Schritt näher an den flic heran. »Wie lautet Ihre Dienstnummer?«, fragte er den Polizeibeamten. »Los, los, raus damit! Wenn Didier das erfährt, trifft ihn der Schlag!«
»Didier?«, wiederholte der junge Beamte mit zweifelnd gerunzelter Stirn.
»Sie kennen anscheinend nicht mal den Namen Ihres Chefs: Didier Brassin, Polizeipräfekt von Paris«, sagte Metcalfe und schüttelte ungläubig den Kopf, während er das Samtetui mit Zigarren aus der Innentasche seines Jacketts zog. »Und wenn Didier hört, dass einer seiner eigenen Leute - ein kleiner Streifenpolizist - mich daran zu hindern versucht hat, diese Romeo y Julietas in seinem Haus am Quai des Orfèvres abzuliefern, wo sie dringend für eine nächtliche Besprechung gebraucht werden, sind Sie Ihren Posten los. Aber nur, wenn Didier guter Laune ist. Jetzt Ihre Dienstnummer, wenn ich bitten darf.«
Der flic wich vor ihm zurück. Sein Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert; jetzt lächelte er, war die personifizierte Freundlichkeit. »Bitte, Monsieur, nehmen Sie's mir nicht übel. Gehen Sie ruhig weiter. Entschuldigen Sie, dass ich Sie angehalten habe.«
Metcalfe setzte sich kopfschüttelnd in Bewegung.
»Dass mir das nicht wieder vorkommt!«, fügte er mit ärgerlicher Miene hinzu.
»Natürlich nicht, Monsieur. Das war ein bedauerlicher Irrtum!«
Metcalfe entschied sich dagegen, zu telefonieren, und ging an der Telefonzelle vorbei. Er wollte einfach unangemeldet bei Flora Spinasse aufkreuzen.
Ihr Apartmenthaus in der Rue de la Boetie war schäbig und in schlechtem baulichem Zustand. Die kleine Eingangshalle war wie alle Flure des Gebäudes in einem scheußlichen Senfgelb gestrichen, das an vielen Stellen abblätterte. Er sperrte die Haustür auf - sie hatte ihm einen Schlüssel dafür gegeben - und fuhr mit dem ratternden Lift in den vierten Stock hinauf. Oben klopfte er an ihre Tür, wobei er ihren Geheimcode benützte: dreimal anklopfen, Pause, zweimal anklopfen. Irgendwo drinnen kläffte ein kleiner Köter. Es dauerte lange, bis die Wohnungstür geöffnet wurde. Als Flora ihn sah, holte sie erschrocken tief Luft.
»Daniel!«, sagte sie. »Was tust du hier? Wie spät ist's überhaupt?« Sie trug ein langes baumwollenes Nachthemd und hatte Lockenwickler im Haar. Ihr Pudel Fifi rannte knurrend und kläffend im Kreis um ihre Füße.
»Darf ich reinkommen, meine teure Flora?«
»Was tust du hier? Ja, ja, komm rein - um Himmels willen! Platz, Fifi, still jetzt, mon toutou!«
Flora sah nicht gerade blendend aus, aber wer tat das schon um diese Zeit am Morgen? Sie war verlegen; ihre Hände griffen erst nach den Lockenwicklern, dann strichen sie über das Nachthemd, als wisse sie nicht, was sie zuerst verstecken sollte. Sie machte rasch die Tür hinter ihm zu. »Daniel!«, wiederholte sie, aber er küsste sie sofort, und sie erwiderte seinen Kuss immer drängender.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie, als er sie endlich aus seiner Umarmung entließ.
»Ich musste dich sehen«, sagte Metcalfe.
»Aber ... aber, Daniel, du hättest mich vorher anrufen sollen! Das weißt du doch! Du kannst nicht einfach unangemeldet in der Wohnung einer Frau aufkreuzen, die nicht auf Besuch vorbereitet ist!«
»Flora, du brauchst keine Vorbereitung. Du hast's nicht nötig, dich zu schminken. Ich finde dich Natur pur am hübschesten, das habe ich dir schon gesagt.«
Sie errötete. »Du steckst vermutlich in Schwierigkeiten, deshalb bist du hier.«
Er sah sich in ihrer erbärmlichen kleinen Wohnung um. Wegen der für Paris angeordneten Verdunklung verschwanden die Fenster hinter mit Reißzwecken befestigtem schwarzem Papier. Selbst die Stehlampe in einer Wohnzimmerecke war mit einem blauen Tuch abgedunkelt. Flora war eine gesetzestreue junge Frau, die sich an alle Vorschriften hielt. Ihr schwerster Gesetzesverstoß war ihre Affäre mit einem Ausländer - und die Informationen, die sie ihm beschaffte. Das war der einzige Fehltritt in einem von Ordnung und Ehrbarkeit geprägten Leben. Und es war kein kleiner Fehltritt.
Andererseits waren die unscheinbaren Frauen, das wusste Metcalfe aus Erfahrung, immer die besten Agentinnen. Sie wurden weniger beachtet und galten automatisch als fleißig und pflichtbewusst, obwohl tief in ihrem Herzen die Flamme des Aufruhrs loderte. Aus ähnlichen Gründen waren die unscheinbaren Frauen stets die
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